„Viele kamen zum Glauben an ihn“
Auf dem Weg in die Entwicklungsphase
Von Prälat Stefan Dybowski
Immer wieder beeindruckt mich diese Frau im Johannesevangelium (Joh 4,1-42). Am Jakobsbrunnen ist sie Jesus begegnet. Es beginnt mit dem Durst Jesu und einer einfachen Bitte um einen Schluck Wasser. Und am Ende finden nicht nur diese Frau, sondern auch viele Samariter aus dem Ort zum Glauben. Seit geraumer Zeit machen wir uns Gedanken um die Zukunft unserer Kirche in Berlin. Wie werden unsere Gemeinden in 20, 30 oder 50 Jahren aussehen? So hat vor drei Jahren im Erzbistum Berlin der Pastorale Prozess „Wo Glauben Raum gewinnt“ begonnen. In diesen drei Jahren ist einiges geschehen. Die Findungsphase ist für viele Gemeinden zum Abschluss gekommen; nun beginnt die zweite Phase: die Entwicklungsphase.
Was unterscheidet diese beiden Phasen? War der Blick in der Findungsphase eher nach außen gerichtet – Mit welchen Gemeinden wollen wir zusammenarbeiten? – so richtet sich der Blick in der Entwicklungsphase deutlicher nach innen: Wie können wir Menschen in Zukunft mit Gott in Berührung bringen? Papst Franziskus hat vor zwei Jahren ein Schreiben herausgegeben, das wertvolle geistliche Impulse für die Entwicklungsphase gibt. Sein Titel und Thema zugleich: „Evangelii gaudium“, Freude des Evangeliums; ich möchte es auch übersetzen: Freude am Evangelium. In seiner unvergleichlich anschaulichen Sprache schreibt der Papst:
„Alle haben das Recht, das Evangelium zu empfangen. Die Christen haben die Pflicht, es ausnahmslos allen zu verkünden, nicht wie jemand, der eine neue Verpflichtung auferlegt, sondern wie jemand, der eine Freude teilt, einen schönen Horizont aufzeigt, ein erstrebenswertes Festmahl anbietet. Die Kirche wächst nicht durch Prosyletismus, sondern durch Anziehung“ (Evangelii Gaudium 14).
Eine anziehende Kirche?
Sind wir eine anziehende Kirche? Diese Frage könnte ein spannendes Thema für die Gestaltung der Entwicklungsphase werden. Dabei geht es nicht um kurze Highlights, sondern um ein Erleben, das nachhaltige Anziehungskraft besitzt.
Fragen wir doch einmal die Frau am Jakobsbrunnen. Es beginnt so menschlich: mit dem Durst. Durst ist eine häufig verwendete Metapher für die Sehnsucht des Menschen. Der Jakobsbrunnen wird zum Raum, wo Platz ist für die Sehnsucht der Menschen, wo sie sich etwas von der Seele reden können und wissen, dass sie gehört und verstanden werden. Wäre das ein Kennzeichen für unsere Pastoralen Räume?
„Gib mir zu trinken!“
Jesus spricht die Frau an: Gib mir zu trinken! – Die Frau ist verwundert. „Wie kannst Du als Jude mich, eine samaritische Frau um Wasser bitten?“ Das macht man nicht... Jesus tut es doch, überwindet kulturelle, politische, ja sogar religiöse Ressentiments. Und die Anziehungskraft seines Verhaltens ist deutlich zu spüren: Die Frau wird neugierig auf ihn. Erleben die Menschen, dass in unseren Gemeinden ein anderer Geist herrscht, nämlich der Geist des Evangeliums? Ich bin sicher, dass dies auf viele anziehend wirkt.
Am Ende der Entwicklungsphase soll ein Pastoralplan stehen, der das Leben in den Pastoralen Räumen beschreibt. Ich hoffe, dass da nicht nur Aufgaben und Ämter beschrieben werden. Ich wünsche mir, dass da viel Platz ist für die Freude am Evangelium.
Foto: „Gib mir zu trinken“, fordert Jesus die Frau am Jakobsbrunnen auf. Durst ist eine Metapher für die Sehnsucht des Menschen. Das Evangelium wird zum lebensspendenden Quell, wenn wir es mit Freude teilen. Fotolia/ Doc-Rbe-Media