Die Friedhofsflüsterer Das Projekt „Soziale Arbeit“ öffnet Kirche für den Kiez und bringt sie zu den Menschen

Zum Angebot der „Friedhofsflüsterer“ gehört auch ein Shuttle-Service für Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. Heute steuert Stadtteilkoordinator Fabian Behling das von der Friedhofsverwaltung zur Verfügung gestellte Golf-Kart. Foto: Peter Arnold

Laufend und engagiert für das Friedhofsprojekt unterwegs: Juliana Wiencek, Daniela Pfeiffer und Christine Otto. Foto: Marina Dodt

Auf dem Gebiet der neuen Pfarrei Theresa von Avila liegt auch der St. Hedwig-/St. Pius-Friedhof. Diesen Ort kirchlichen Lebens nutzt Sozialarbeiterin Juliana Wiencek, um den Besuchern gemeinsam mit Stadtteilkoordinator Fabian Behling ein ganz besonderes Begegnungsangebot zu machen.

„Wünsche werden wahr“, strahlt Christina Gallas über das ganze Gesicht, als sie das improvisierte coronagerechte kleine Café unter der Markise der Trauerhalle wahrnimmt. Seit ihre „liebste Oma der Welt“ im vergangenen Jahr auf dem St. Hedwig-/St. Pius-Friedhof in Hohenschönhausen beigesetzt wurde, kommen sie und ihre Cousine regelmäßig hierher, um das Grab der Großmutter und weiterer Angehörigen zu besuchen. Wie schön wäre es jetzt, nicht sofort wieder in den Alltagsmodus umschalten zu müssen, sondern die Gedanken und Gefühle sammeln, ihnen noch ein wenig Ruhe, Zeit und Raum geben zu können, hat sie sich nach so manchem dieser Besuche gewünscht.

Inzwischen ist ihr Wunsch Wirklichkeit geworden. Seit April gibt es das Projekt „Friedhofsgeflüster“ mit dem kleinen Café gleich im Eingangsbereich als Treffpunkt. „Friedhöfe sind Orte, um Abschied von geliebten Menschen zu nehmen oder um diesen geliebten Menschen nahe zu sein, aber auch um bei Bedarf ins Gespräch zu kommen. Wir möchten mit unserem Angebot einfach da sein, zuhören, einen Raum der Begegnung schaffen und gestalten“, erläutert Sozialarbeiterin Juliana Wiencek die Café-Idee.

Sie ist eine von drei Mitarbeiterinnen des Projektes „Soziale Arbeit“ im Erzbistum Berlin und hat ihren Wirkungsbereich in der neu gegründeten Pfarrei Hl. Theresa von Avila im Nordosten Berlins. Mehr als 60 Orte kirchlichen Lebens gibt es hier, und es ist ein Ziel des Sozial-Projektes, diese sichtbar und erlebbar zu machen, Kirche auf die Straße und zu den Menschen zu bringen. „Wir verfügen in unseren Gemeinden und Einrichtungen über einen riesigen Schatz“, so sieht es Juliana Wiencek, „ein Potential, das wir für den Kiez öffnen und in die Kommune einbringen wollen.“ So verstehen sich die drei Sozialarbeiterinnen als Bindeglied zwischen pastoraler Arbeit und kommunaler Ebene.

Kirche, Kiez, Kommune

Diesem kreativen Dreiklang entsprang auch das Friedhofscafé mit seinem „Friedhofsgeflüster“. Eine Bank, ein Tisch, ein paar Stühle, bunte Becher, Filterkaffee, Tee und etwas Gebäck – mehr als diese denkbar einfachen Mittel brauchte es anfangs nicht, um die belebende Friedhofsidee in die Tat umzusetzen. Gut vernetzt mit der Stadtteilkoordination von Alt-Hohenschönhausen „Der Gute Pol“ sowie der Friedhofsverwaltung stehen Juliana Wiencek und Stadtteilkoordinator Fabian Behling mit weiteren Helfern nun seit Ende April mittwochnachmittags auf dem Friedhof vor der Trauerhalle, laden ein zum Gespräch oder ganz einfach zum Verweilen. Sollte Petrus den Friedhofsflüsterern einmal nicht hold sein, kann auch die Trauerhalle genutzt werden. So hat sich das kleine Café in kurzer Zeit erstaunlich schnell und gut etabliert, zeigen sich selbst seine Initiatoren überrascht. Man könne jedes Mal mindestens eine Handvoll interessierter Gäste begrüßen. Inzwischen gibt es sogar erste Stammkunden und durchaus überirdische Begegnungen. So zum Beispiel mit dem einstigen Fluglehrer von Sigmund Jähn, dem ersten Deutschen im All. Er bereicherte den neuen Treff besonders in der Startphase mit seinen Erinnerungen, würdigt die Begegnungen – gerade in Corona-Zeiten – als „Seelentröster“.

Wunderbare Erfahrungen, die er mit Friedhofsspaziergängerin Daniela Pfeiffer aus Hohenschönhausen teilt. Auch sie habe im April erst einmal interessiert geguckt und dann eine Stunde gequatscht, erzählt sie schmunzelnd. Jetzt ist sie es, die anderen Mittwoch für Mittwoch ein offenes Ohr leiht. Als inzwischen freiwillige Projekthelferin bringt sie ihre Kenntnisse aus einer sozialen Bücherstube und der Seniorenbetreuung in zwei Altersheimen ein. Sie höre sehr gerne zu, erzählt Daniela Pfeiffer, weil sie aus eigener und ehrenamtlicher Erfahrung weiß, wie viel seelische und körperliche Linderung menschliche Annahme und Gemeinschaft schenken können. Und auch wenn sie nicht unbedingt eine regelmäßige Kirchgängerin sei: „Dieses verbindende Gemeindeleben von Jung und Alt, Arm und Reich finde ich so schön, das spricht mich sehr an.“

Auch Christine Otto hat die Idee von einem Raum der Begegnung und Gemeinschaft auf dem Friedhof sehr gefallen. Sie erfuhr über die Freiwilligenagentur OSKAR vom Friedhofstreff und bereichert nun das Projektteam. Und das plant neben dem wöchentlichen Mittwochstreff nun schon wieder eine ganze Reihe neuer Vorhaben, z.B. die Führung von Schulklassen auf dem Friedhof in Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit. Den Friedhof beleben, das Sterben wieder ein Stück ins Leben holen und damit das Leben in seiner Sterblichkeit kostbar machen – auch dieser Dreiklang gehört zum Konzept der Friedhofsflüsterer, die sich für ihr Angebot noch recht viel „Flüsterpropaganda“, interessierte Besucher und vor allem engagierte Unterstützer wünschen.

Das Projekt ist gefördert durch das Bonifatiuswerk.

Kontakt:

„Friedhofsgeflüster“ – Friedhofscafé auf dem St. Hedwig-/St. Pius-Friedhof in der Konrad-Wolf-
Straße 30–32, 13055 Berlin-Hohenschönhausen

Öffnungszeiten: mittwochs 13 bis 16 Uhr, im Sommer 14 bis 17 Uhr

Sie möchten Teil des Teams werden?
Melden Sie sich gern bei Juliana Wiencek:
Mobil: 0170/850 45 62
Juliana.Wiencek(ät)erzbistumberlin.de

Das Projektteam möchte mit einem Café-Lasten-Bike sein seelsorgliches Gesprächsangebot erweitern und freut sich über Ihre Unterstützung.

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