Novene um Fürbitte und Heiligsprechung des seligen Bernhard Lichtenberg
„Betet ohne Unterlaß!“ Diese Mahnung, im fürbittenden Gebet nicht nachzulassen (vgl. Kol 4,2, Eph 6,18), durchzieht die wenigen Briefe, die der selige Bernhard Lichtenberg (1875–1943) aus der Haft schreiben durfte. Aber auch in seinem jahrzehntelangen Wirken als Seelsorger betete er regelmäßig. Natürlich das römische Brevier, das Stundengebet der Kirche, das er als „beglückend“ empfand. Doch damit nicht genug. In den Seelsorgestellen, in denen er als Kuratus und dann als Pfarrer wirkte, führte er tägliche Abendandachten ein. So auch 1932 in der St.-Hedwigs-Kathedrale.
Besonders bekannt geworden ist sein Gebet, das er dort unter dem Eindruck des Judenpogroms der „Reichskristallnacht“ sprach: „Was gestern war, wissen wir. Was morgen ist, wissen wir nicht. Aber was heute geschehen ist, haben wir erlebt. Draußen brennt der Tempel. Das ist auch ein Gotteshaus“. Zwei Schülerinnen der Chemotechnikerschule der Reichshauptstadt wollten 1941 sogar „bolschewistische Propaganda“ vernommen haben, als Lichtenberg für die schwerbedrängten Juden und „Nichtarier“ sowie für die Gefangenen in den Konzentrationslagern betete, „zumal für die gefangenen Priester und Ordensleute, […] für die zum Unglauben, zur Verzweiflung und zum Selbstmord versuchten Menschen, für die Millionen namen- und staatenloser Flüchtlinge, für die kämpfenden, verwundeten und sterbenden Soldaten hüben und drüben, für die bombardierten Städte in Freundes- und Feindesland, […] für das Vaterland und die Führer des Volkes“.
Lichtenberg wurde angezeigt und in Haft genommen. Sein öffentliches Gebet habe den „öffentlichen Frieden gestört“. Und die in dem Gebet sich äußernde Kritik an staatlichen Maßnahmen sei zugleich „hetzerisch“. Das Gebet genügte zur Verurteilung durch ein Sondergericht. Trotz momentaner Anfechtungen durch Todesangst und Trostlosigkeit ließ sich Lichtenberg aber nicht davon abhalten, auch weiterhin Zuflucht im Gebet zu suchen. Durch Gottes Gnade erlangte er 1943 die Krone des Martyriums (vgl. 1 Kor 9,25).
Lichtenbergs „Bitte um Gebet ohne Unterlaß“ richtet sich auch heute an uns. Deshalb wollen wir am 5. November, dem Tag seines Martyriums (seinem eigentlichen Geburtstag), mit einer Gebetsnovene beginnen. Vorbild dieser neuntägigen Andacht („novendiales preces“) ist die Pfingstnovene der Apostel mit Maria zur Vorbereitung auf die Herabkunft des Heiligen Geistes (Apg 1,13 f.). Novenen dienen aber nicht nur zur Vorbereitung auf liturgische Feste oder wichtige Lebensereignisse. Wir können in ihnen Zuflucht zu den Heiligen als himmlischen Fürsprechern in den besonderen Nöten der Seele oder des Leibes nehmen. Somit ergeht die herzliche Einladung, sich neun Tage lang, vom 5. November bis zum 13. November 2012, vor der Abendmesse um 17.50 Uhr, am Samstag um 18.50 Uhr, in der St.-Hedwigs-Kathedrale zu versammeln: Zum gemeinsamen Gebet in den eigenen Anliegen – und in der Causa Lichtenberg. Damit der selige Lichtenberg endlich von der ganzen Kirche als das anerkannt und verehrt werden kann, was er für viele Gläubige schon längst ist: ein Heiliger – ein Vorbild, Fürsprecher und Nothelfer.
Dr. Gotthard Klein
Diözesan - Postulator