Osterpredigt von Erzbischof Dr. Heiner Koch Ostersonntag, 9. April 2023, 10.00 Uhr, Radiogottesdienst aus St. Joseph (Berlin Wedding), DLF und MDR Kultur

Welche Botschaft des Osterfestes: Unser Leben hat eine herrliche Zukunft. Der Staub ist nicht das Letzte, was vom Menschen übrig bleibt. Das Oster-Evangelium reißt den Himmel auf: Jesus Christus führt uns in das ewige Leben. Es gibt eine Hoffnung und einen Morgen für jeden Menschen. Wir sind auf dem Weg in die ewige Heimat. Das Größte in unserem Leben liegt für uns alle vor uns: Alles wird gut. Welcher Trost, welche Freude von dieser Botschaft her für unseren irdischen Lebensweg, aber auch welche Kraft und welcher Elan, sich für das Leben der Menschen mit aller Kraft einzusetzen: Für das Leben der Ungeborenen, für das Leben der Benachteiligten und Diskriminierten, das Leben der von Flucht und Vertreibung, der von den Folgen des Klimawandels Bedrohten, für das Leben der Sterbenden! Wir alle sind auf dem Weg ins ewige Leben.

An diese Botschaft glauben die einen und die anderen nicht. Aber auf dieser Erde gilt: Jede Frau, jeder Mann hat etwas, woran sie oder er glaubt. Es gibt keine Ungläubigen. Der Mensch ist nicht so geschaffen, dass er nicht glauben könnte. Jeder Mensch muss als Mensch glauben. Wir unterscheiden uns nur darin, was oder besser gesagt, wem wir glauben. In Diskussionen verwirre ich meine angeblich ungläubigen Gesprächspartnern immer, wenn ich sie anspreche mit den Worten „Sie, in Ihrem Glauben“, wobei mir regelmäßig geantwortet wird: „Ich glaube aber an nichts“, und ich dann entgegne: „Auch dieser Glaube ist ein Glaube“.

Gibt es ein Weiterleben nach dem Tod oder gibt es das nicht, gibt es ein über unsere irdische Natur hinausgehendes Leben oder nicht? Mit naturwissenschaftlichen Methoden lässt sich diese Frage nach einem übernatürlichen Leben nicht beantworten. Da versagen unsere begrenzte natürliche Wahrnehmungsfähigkeit und unser beschränkter Intellekt.

Aber wir Christen bekennen am Ostermorgen nicht ein naturwissenschaftliches Gesetz. Wir feiern an diesem Tag Gott, der alles Leben geschaffen hat und es erhält und sein gutes, schöpferisches Wort am Beginn seines Lebens nicht widerruft. Gott, der so allmächtig ist, dass er das menschlich Unmögliche möglich macht. Gott, der nicht nur groß ist, sondern treu. Ich habe Euch ins Leben gerufen, ich widerrufe meine Zusage nicht. Ich bleibe Dir und Euch Menschen treu.
 
Können wir erfahren, ob es diesen Gott wirklich gibt, oder müssen wir uns dem Vorwurf stellen, dass unser Glaube an den treuen und mächtigen Gott nur unserer Sehnsucht nach einem Trost entspringt in aller Dunkelheit und Begrenztheit menschlichen Lebens? Und, wenn es Gott denn gäbe, wie kann ich diesen Gott, der uns leben lässt und unser Leben auch im Tod erhält, auch erfahren?

Die Antwort gibt unsere Erfahrung im zwischenmenschlichen Bereich: Wie kann ich erfahren, dass ich einem Menschen vertrauen kann? Es gibt nur einen Weg: Ich muss mich auf ihn einlassen, ich muss Vertrauen schenken, ich muss Vertrauen wagen. Nur im Vertrauen einem anderen gegenüber werde ich erfahren, ob ich ihm oder ihr vertrauen kann. Diese zwischenmenschliche Erfahrung trägt auch Maria Magdalena heute im Oster-Evangelium auf dem Weg zu ihrer Erfahrung Gottes, der den Tod überwunden hat und auch uns am Leben hält. Sie blieb unter dem Kreuz Jesu, in ihrem Schmerz und in ihrem Elend. Sie blieb auch am Grab Jesu mit all ihrer enttäuschten Hoffnung und ihrer Verzweiflung. Ihre Liebe endete nicht mit dem Tod Jesu. In ihr blieb die Hoffnung lebendig, dass die Worte wahr bleiben würden: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (Joh 11,25). Maria Magdalena war getragen von dem Vertrauen auf Jesus, den sie so liebte, dass sie überzeugt war, dass er sie nicht enttäuschen würde. In diesem Vertrauen begegnete sie dem Auferstandenen. Ihr Vertrauen war gleichsam die Tür ihres Herzens zu der Begegnung mit Christus, dessen Liebe sich als stärker erwiesen hat als der Tod.

Maria Magdalena fragt uns heute im Oster-Evangelium: Wie sieht es mit Deinem Herzen aus? Vertraust Du Gott und vertraust Du Jesus Christus? Auch in Stunden der Dunkelheit, wo Dein Lebensweg gleichsam durch einen dunklen Wald geht und doch hin und wieder eine kleiner Lichtschein durch die dichten Blätter des Waldes fällt. Vertraust Du auch in diesen Stunden? Nur im Vertrauen wirst Du jetzt schon auf Deinem irdischen Lebensweg erfahren, dass Gott, weil er Dich und uns alle liebt, das Unmögliche möglich gemacht hat: Er hat den Tod besiegt. Denn Gott hält Wort, er behält das letzte Wort und das heißt nicht Tod, sondern Liebe und Leben.

Ich wünsche Ihnen ein vertrauensvolles, lebensfrohes Osterfest.