Hoffnung, die uns leben lässt! Predigt von Erzbischof Dr. Heiner Koch am Ostersonntag, 31. März 2024

Ich verlasse mein Büro am Hausvogteiplatz mitten in Berlin und mache mich auf den Weg zu einem kleinen Spaziergang am Mittag. Ein Professor, mit dem ich kürzlich auf einem Podium saß, kommt mir entgegen, im Arm hält er seine offensichtlich schwer erkrankte Frau. Wir begrüßen uns und da gerade an dieser Stelle die Tische eines Cafés stehen, setzen wir uns. Sie spricht von ihrem bald bevorstehenden Tod und dass für sie der Tod das Ende ihres Lebens für immer sei. Ich erzähle in aller gebotenen Feinfühligkeit von meinem christlichen Glauben und von der Hoffnung auf das ewige Leben und ich verspreche ihr, für sie zu beten. Zwei Wochen später erhalte ich ihre Todesanzeige. Ich kondoliere ihrem Mann und treffe ihn einige Tage später wieder auf der Straße. Er bedankt sich für meine Zeilen und fragt: „Kommen Sie zur Beerdigung meiner Frau? Sonst ist in der ganzen Trauergesellschaft kein einziger mit Ihrer Hoffnung.“

So ist die Situation und so ist der Glaube wohl der meisten Menschen hier in Berlin und in Brandenburg: Das Leben ist die kurze Phase zwischen ihrer Geburt und ihrem Tod, mehr gäbe es für sie nicht. Der Berliner Dramaturg John von Düffel beschreibt es in seinem Buch „Das Wenige und das Wesentliche“ so:

„Auf den Abend folgt die Nacht
die völlige Dunkelheit.
Es gibt nichts weiter zu versprechen.
Der Asket der Zukunft
Kennt kein Gebet.“

Wir Christen glauben hingegen, dass uns viel mehr an Leben und an Zukunft verheißen ist, versprochen ist von dem , der am Kreuz für uns starb, ins Grab gelegt wurde und von den Toten auferstand: Der Stein vor seinem Grab und vor unsern Gräbern ist und bleibt weggerollt: Der Weg ins Leben ist für uns alle offen, der Weg zum Auferstehen, der Weg ins ewige Leben.

Ob diese Botschaft wahr ist? Ob diese Hoffnung trägt oder trügerisch ist? Dies ist die entscheidende Frage des Lebens schlechthin, die jeder Mensch für sich be- und verantworten und leben muss: Ist der Tod das letzte Ziel des menschlichen Lebens oder gibt es eine Perspektive, die wir Menschen nicht konstruieren können, die uns aber von Gott geschenkt wird? Gibt es eine Hoffnung, die bleibt, die Kraft schenkt und Perspektiven für unser Leben auch in seinen dunklen Phasen eröffnet?

An Ostern feiern wir Christen, dass Christus von den Toten auferweckt wurde und dass wir aus dieser Hoffnung schon hier auf Erden mutig und engagiert leben dürfen im Einsatz für das Leben. Hier geht es nicht um naturwissenschaftliche Fakten, hier geht es um das Vertrauen auf einen Gott, der mächtiger ist als der Tod, sonst wäre er nicht Gott, und kraftvoll in seiner Liebe: der uns liebt, und uns deshalb nicht im Grab verwesen lässt. Er selbst ist auferweckt worden von seinem Vater und wir werden auferweckt von ihm. Er hat uns in dieses Leben gerufen und er ruft uns einst in seine himmlische Ewigkeit.

Wir werden von ihm zum Leben auferweckt, ins Leben gerufen. Sein Wort lässt uns leben, lässt uns aufleben. Maria Magdalena läuft zum Grab, als es noch dunkel war in der Welt und in ihrem Herzen, so schildert es das Evangelium. „Rabbuni!“, ruft sie Jesus zu und er antwortet ihr: „Maria“. Damit begann ihr österliches Leben mit dem Auferstandenen, damit begann für sie Ostern. Dies ist der erste Dialog des Auferstandenen mit einem Menschen, das erste Gebet am Ostermorgen. Wer Ostern erleben will, der wird so wie sie in den Dialog mit Gott gehen, in das Gespräch der Auferstehung, in das Gebet mit dem Auferstandenen. In diesem Dialog ist Ostern begründet. Gott ruft die Welt zum Leben. Deshalb tragen wir die Hoffnung in uns, deshalb leben wir aus dieser österlichen Hoffnung. Deshalb reden wir von dieser Hoffnung, deshalb handeln wir hoffnungsvoll gegen alle oft berechtigten Argumente der Apathie und der Resignation in unserem persönlichen Leben, in unserer Gesellschaft und auch in unserer Kirche. Deshalb ist die Hoffnung für uns eine göttliche Tugend: Wir bauen nicht auf unsere Kraft, sondern auf den Auferstandenen, der uns im Tode ansprechen, aufrufen und auferwecken wird. Hoffnung – die, die uns leben lässt – nicht nur an Ostern!