"Das Feuer des Glaubens rüberbringenHeiner Koch zu seinem neuen Amt als Erzbischof von Berlin

Berlin (KNA) Am Samstag ist es soweit: Dann wird Heiner Koch feierlich als neuer Erzbischof von Berlin eingeführt. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußerte sich der bisherige Bischof von Dresden-Meißen zu seinen Plänen als "Hauptstadtbischof" und den wichtigsten Aufgaben, die ihn erwarten.

Herr Erzbischof, wie finden Sie es inzwischen, Oberhirte von Berlin werden?

Nachdem ich mich im Juni zu einem Ja durchgerungen habe, geht es mir jetzt besser. Ich freue mich auf meinen Dienst in Berlin.

Nach zweieinhalb Jahren im Bistum Dresden-Meißen, was nehmen Sie mit nach Berlin?

Die Erfahrung eines verlässlichen Miteinanders, das mich sehr beeindruckt hat. Die Solidarität und Verbundenheit unter den Christen ist hier enorm hoch, viel höher als im Rheinland. Und ich nehme die sehr guten Erfahrungen aus Gesprächen mit Menschen mit, die nicht getauft sind, deren Familien oft über Generationen keine Berührungen mit dem christlichen Glauben hatten.

Wie schon in Dresden erwartet Sie in Berlin eine tiefgreifende Bistumsreform. Was ist Ihnen dabei wichtig?

Es geht auch in Berlin nicht nur darum, irgendwelche Strukturen zu verändern. Es geht vor allem um eine neue inhaltliche Positionierung. Im Zentrum muss die Frage stehen: Wie geht es, Christ und Kirche zu sein in einer großen Stadt oder auf dem Land, und wie geht es, unseren Sendungsauftrag zu erfüllen, wo immer mehr Menschen sagen, dass es ihnen völlig gleichgültig ist, ob es Gott gibt oder nicht.

Kritik gibt es besonders am Plan, die 105 Gemeinden zu 30 Großpfarreien zusammenzulegen. Lässt das Konzept noch Spielräume?

Die Verantwortung liegt vor allem in der jeweiligen Region. Ich kann nicht eine Antwort geben, die in Frankfurt an der Oder genauso wie am Kap Arkona gilt, in Charlottenburg wie in Kreuzberg. Wenn wir das Feuer des Glaubens zur Erfüllung unseres christlichen Sendungsauftrags nicht rüberbringen, dann bleiben es nur Strukturfragen. Aber dafür brennt man nicht. Und wenn es nicht brennt, kann kein Funke überspringen.

Ein weiteres heißes Eisen ist die Sanierung der Sankt-Hedwigs-Kathedrale. Sind Sie damit bereits konfrontiert worden?

Vielfach! Vielleicht ist es sogar das Hauptthema für viele im Erzbistum. Jedenfalls bezieht sich die meiste Post, die ich bekomme, darauf. Neben künstlerischen und architektonischen Fragen ist es offensichtlich auch eine Frage der eigenen Identität. Es gibt dabei deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. Nach meinem Amtsantritt wird das einer der brenzligen Punkte sein.

Also ist die Sanierung für Sie das wichtigste Thema nach dem Amtsantritt?

Ich würde mich scheuen, die Renovierung eines Kirchengebäudes als Hauptthema zu bezeichnen. Mein Hauptthema ist unsere Sendung zu den Menschen, die oft kaum noch vom christlichen Glauben berührt sind. Mein Hauptthema ist zudem die gegenseitige Stärkung derer, die miteinander zum christlichen Glauben stehen. Weil die Sanierung der Kathedrale aber für viele ein so zentrales Thema ist und weil die Kathedrale eine hohe zeichen- und zeugnishafte Bedeutung hat, ist sie mir ein sehr großes Anliegen. Ich werde sehr schnell mit allen Seiten sprechen und habe schon erste Überlegungen angestellt für einen Gesprächs- und Entscheidungsprozess.

Wie wirkt der heutige Kathedralraum auf Sie?

Ich habe viele Fragen dazu. Zum Beispiel empfinde ich es als fragwürdig, dass im Gottesdienst im liturgischen Raum Prozessionen nur sehr begrenzt möglich sind. Aber diese Kirche ist bedeutsam auch außerhalb der Liturgie: Inwieweit ist die Kathedrale einladend, um als Passant, auch als Nichtglaubender einfach zu verweilen.

Ihr Vorgänger Kardinal Woelki wurde vor allem als "Hauptstadtbischof" wahrgenommen. Wie wollen Sie diese Rolle ausfüllen?

Als erstes bin ich Erzbischof der Menschen im Erzbistum. Katholiken aus Brandenburg und Vorpommern haben mir geschrieben, ich möge doch bitte darauf achten, dass es nicht immer um Berlin geht. Aber natürlich nehme ich auch Einladungen an, vom Bundespräsidenten bis zum ARD-Hauptstadtstudio, um katholische Positionen zu vertreten.

Die Bischofskonferenz will die Präsenz der katholischen Kirche in der Hauptstadt stärken. Was ist Ihnen dabei wichtig?

Ich bin klar für eine Stärkung. Wenn wir uns etwa für ein neues wissenschaftliches Zentrum entscheiden, dann muss das jedoch sehr qualifiziert sein. Mit Durchschnittlichkeit geht man in Berlin unter. Deshalb lieber weniger, aber das dann profiliert.

Was erwarten Sie von einem solchen Wissenschaftskolleg?

Es muss ethische Fragen angehen, die immer auch theologische Fragen sind. Auch für Atheisten gibt es die Frage der Werte, der Grundsatzentscheidungen. Außerdem müssen wir fundamentaltheologisch im Gespräch bleiben, die Gottesfrage anspruchsvoll durchbuchstabieren. Wie kann ich Menschen auch intellektuell in die Nähe des Glaubens bringen? Und wir müssen uns mit anderen Glaubensrichtungen und Weltanschauungen auseinandersetzen.

Welche Institutionen könnten an einem solchen Kolleg mitwirken?

Das können etwa Partneruniversitäten oder Orden sein, die sich wissenschaftlichen Themen stellen. Wir brauchen viele Vernetzungen in die wissenschaftlichen Bereiche, nicht nur der Kirche. Das Kolleg muss sehr kommunikativ sein und auf öffentliche Debatten sehr zügig reagieren können. Mit Blick auf das multikulturelle Berlin wünsche ich mir eine internationale Ausrichtung. Aktuell, international, vernetzt, das wär es für mich.

Die Überlegungen der Bischofskonferenz stehen in dem Kontext, als Kirche missionarischer zu werden. Wie geht das?

Es geht nur über Beziehung und Vertrauen. Ich bin in Ostdeutschland mit vielen Menschen in Berührung gekommen, die keine Christen sind, im politischen, im wirtschaftlichen, im kulturellen Bereich. Manchmal habe ich bemerkt, wie sich bei meinen Gesprächspartnern etwas bewegt hat in ihrem Verhältnis zur Religion. Wir müssen dann aber den Eindruck vermeiden, als würden wir sie vereinnahmen wollen, als es ginge es um die Größe unseres "Vereins" und die Höhe der Kirchensteuer.

Die Ökumene liegt Ihnen am Herzen. Wo gibt es denn da noch Optimierungsbedarf?

Ich halte es für notwendig, dass wir zur theologischen Diskussion Mut haben, etwa zum unterschiedlichen Sakraments- oder Kirchenverständnis. Mit dem evangelischen Berliner Bischof Markus Dröge habe ich mich bereits getroffen. Wir haben über den Katholikentag 2016 in Leipzig gesprochen, aber auch über das 500-Jahr-Gedenken des Reformationsbeginns in Wittenberg 2017.

Wo werden Sie in Berlin wohnen?

Die ersten Monate in einem Appartement im Katholischen Militärbischofsamt, dann in einem früheren Pfarrhaus in Lichterfelde nach dessen Renovierung. Ich möchte ein sehr offenes, gastfreundliches Haus haben, wo ich mit Besuchern zusammen essen, sitzen und erzählen kann. Ich weiß, wie viel informell bei einer Tasse Kaffee oder einem Glas Sekt angesprochen werden kann. Viel mehr als in vielen Sitzungen.