Denker für ein anderes DeutschlandVor 70 Jahren ermordeten die Nazis den Jesuiten Alfred Delp

Es fehlten nur wenige Wochen bis zum endgültigen Zusammenbruch des Dritten Reichs, doch der Volksgerichtshof machte mit Alfred Delp kurzen Prozess: Dass sich der Jesuit als theologisch-soziologischer Denker am "Kreisauer Kreis" beteiligt hatte, jener Denkfabrik um den Juristen Helmuth James Graf von Moltke, die für einen deutschen Neuanfang nach den Nationalsozialisten plante, machte den 37-Jährigen zum Hochverräter. Vor 70 Jahren, am 2. Februar 1945, wurde Delp in Berlin-Plötzensee von den Nazis hingerichtet.

Als Sohn eines protestantischen Kaufmanns und einer katholischen Mutter wurde Delp 1907 in Mannheim geboren. Leidenschaftlich engagierte sich Delp im benachbarten Lampertheim, wo die Familie seit 1914 wohnte, in der katholischen Jugendarbeit. Sein Gemeindepfarrer förderte die intellektuelle Begabung des Jugendlichen. Direkt nach dem Abitur trat Delp dann in den Jesuitenorden ein. Während seiner Studienzeit war Karl Rahner, der später als Konzilstheologe bekannt werden sollte, sein Lateinlehrer.

Es folgen Studien im In- und Ausland, für einige Zeit war er auch in der Jesuitenschule Kolleg Sankt Blasien tätig. Die Schüler schätzten den unkonventionellen Erzieher, der mit ihnen Sport trieb und Theater spielte. Mit seinen Neuerungen eckte Delp bei seinen Vorgesetzten aber auch an.

Nachdem ihm die Nationalsozialisten ein Promotionsstudium an der Universität München verweigert hatten, kam Delp zur NS-kritischen Jesuitenzeitschrift "Stimmen der Zeit". Gleichzeitig entwarf er in seinen Münchner Predigten in Abgrenzung zum NS-Staat seine Vision eines solidarischen Christentums und einer humanen Gesellschaft.

Delp war zugleich ein scharfer Kritiker einer selbstzufriedenen, verbürgerlichten Kirche. Er forderte einen "drängenden missionarischen Dialog mit dieser Zeit". Die Kirche dürfe nicht "Misstrauen gegen die schöpferischen Kräfte der Menschen" hegen. Der Jesuit war überzeugt: "Es wird kein Mensch an die Botschaft vom Heil und vom Heiland glauben, solange wir uns nicht blutig geschunden haben im Dienste des physisch, psychisch, sozial, wirtschaftlich, sittlich oder sonstwie kranken Menschen."

Vermittelt durch den Münchner Jesuitenprovinzial Augustin Rösch kam Delp schließlich in Kontakt mit dem Kreisauer Kreis um Helmuth von Moltke. Wie groß sein Einfluss innerhalb der Gruppe war und wie oft er an Treffen teilnahm, bleibt unter Historikern umstritten. Sicher ist, dass Delp kein konkretes realpolitisches Programm für die Zeit nach Hitler entwarf, sondern eher Gedanken für die sozialphilosophischen Fundamente eines neuen Deutschlands beisteuerte. Delp hoffte auf einen "Humanismus im Namen Gottes", auf ein Erwachen des Menschen zu seinen Werten und Würden.

Nach der Verhaftung Moltkes und vor allem nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg geriet auch Delp ins Visier der Gestapo. Weil sich in einem Notizbuch Stauffenbergs Delps Name fand, wurde er verdächtigt, an der Verschwörung des 20. Juli beteiligt gewesen zu sein. Was aktuellen Forschungen zufolge indes nicht der Fall war.

Das Angebot einer Freilassung, falls er aus dem Jesuitenorden austrete, lehnte er entschieden ab, woraufhin ihn die Nazis von München ins Gestapogefängnis nach Berlin-Moabit überstellten. Am 9. und 10. Januar 1944 machte ihm der oberste NS-Richter Roland Freisler wegen Hoch- und Landesverrats den Prozess. Delp selbst spürte, wie er äußerte, schon "bei den ersten Fragen die Vernichtungsabsicht. Es war alles fertig, als es anfing." Am 11. Januar 1945 verkündete Freisler gegen Delp und seine Freunde das Todesurteil.

Mit gefesselten Händen verfasste der Pater in den ihm verbleibenden Wochen zwischen Verhaftung und Hinrichtung noch zahlreiche Briefe, Meditationen und Abhandlungen, ein geistliches Testament. Sein Glaube und sein tiefes Gottvertrauen blieben bis zuletzt ungebrochen. Als er am 2. Februar 1945 zum Galgen geführt wurde, soll er dem Gefängnisseelsorger zugeflüstert haben: "In einer halben Stunde weiß ich mehr als Sie."