"Menschen glücklich machen" Auch ein Krankenbesuch will gelernt sein - das Handwerkszeug

Berlin (KNA) Blumen mitbringen oder eine Zeitschrift, reden, ein wenig ablenken - so sieht ein Krankenbesuch beim Opa in der Klinik oder bei einer Freundin in deren eigenen vier Wänden aus. Fingerspitzengefühl ist gefragt um auszuloten, ob eher ein oberflächliches Gespräch oder eines mit Tiefgang gefragt ist.

Was aber macht man, wenn man den Kranken noch nie zuvor gesehen hat? Wenn man nicht weiß, wie er seine Krankheit empfindet oder worum er sich am meisten sorgt? Ein Selbstläufer ist solch ein Krankenbesuch jedenfalls nicht, findet Heike Neubrand, die beim Katholischen Deutschen Frauenbund im Erzbistum Berlin einen Krankenbesuchsdienstkurs betreut. Seit 1985 wurden hier mehr als 400 Männer und Frauen im Alter von 19 bis 85 Jahren geschult. In einem Zeitraum von etwa zwölf Wochen lernen Interessierte in mehrstündigen Sitzungen, wie sie ehrenamtlich kranke, einsame oder alte Menschen besuchen - sei es zu Hause, sei es im Krankenhaus. Gelernt wird etwa, wie man mit dementen oder psychisch erkrankten Menschen umgeht oder wie man auf Verlust und Trauer reagiert.

Viele Krankenhäuser haben bundesweit so einen Besuchsdienst eingerichtet. In der evangelischen Krankenhilfe etwa sind die freiwilligen Besucher - benannt nach dem grünen Kittel, den sie tragen - als die "Grünen Damen oder Herren" bekannt. Und auch in vielen Kirchengemeinden engagieren sich die Mitglieder und besuchen kranke Gemeindemitglieder. Der Bedarf sei da, sagt Neubrand - durch Corona mussten ehrenamtliche Aktivitäten eingeschränkt werden.

Die Teilnehmenden, die sich an diesem Abend zum Kurs versammelt haben, sind alle über 50 Jahre alt, nur zwei Männer sind darunter. Referentin Hannelore Huesmann spricht über Menschenwürde - und dass man sich darüber Gedanken machen sollte, bevor man einen Krankenbesuch macht, sagt die Ordensschwester und Leiterin des Hospizdienstes "Tauwerk", das Aidskranke in den letzten Lebenswochen betreut.

Gedanken wie "Was sage ich bloß, wenn derjenige schlecht aussieht?" oder "Ich mag den Krankenhausgeruch nicht, davon wird mir schlecht" kennt wohl jeder: Ganz ohne Scheu begegnen die meisten Menschen Kranken in der Regel nicht. "Umgang mit Krankheit ist für viele Menschen keine alltägliche Erfahrung mehr", sagt die Franziskanerin. Es gebe - anders als früher in der Großfamilie - bei vielen keine pflegebedürftige Oma mehr zu Hause. Deshalb entwickelten viele Menschen Fluchttendenzen, wenn jemand krank sei. "Das Fehlen dieser Erfahrung macht Angst."

Wichtig sei zu signalisieren: "Du bist mehr als das, was Du an Einschränkungen erlebst", empfiehlt Huesmann. Und auch, sich Zeit zu nehmen für den Patienten und fragen, was derjenige möchte. Vielen falle es schwer zu akzeptieren, dass bei einer Krankheit die Selbstbestimmung zwangsläufig ein Stück weit abgegeben werden müsse. "Da kann es helfen, wenn man dem Kranken kleine Entscheidungen überlässt", sagt die 63-Jährige.

Edeltraud Heymann, grauhaarig mit Brille, ist 73 Jahre alt. Sie sagt: "Ich lerne in dem Kurs auch viel über mich: Wie ich selbst das Älterwerden empfinde, wie ich mich fühle, wenn ich krank bin." Früher war sie in der Software-Entwicklung tätig. Mittlerweile weiß sie, dass es ihr eigentlich mehr liegt, mit Menschen umzugehen.

Wichtig sei, so habe sie es bisher gelernt: "Nicht zu viel zu fragen. Eher den anderen zum Reden anregen." Und auch: "Sich selbst bremsen und zu überlegen, was man den anderem zumuten kann." Als Rentnerin habe sie viel Zeit. Sie habe sich vor allem für den Kurs entschieden, weil sie etwas Sinnvolles tun wolle. "Aus Besuchen bei kranken Bekannten weiß ich, dass man Menschen damit glücklich machen kann, wenn man zu ihnen kommt." Die alte Dame freut sich schon auf ihren ersten Besuch im Seniorenheim, nach Beendigung des Kurses. Und sie hat ein wenig Herzklopfen: "Ich bin aufgeregt, wem ich da begegnen werde."

Huesmann erzählt, wie sie einem ihrer todkranken Patienten ermöglichte, noch einmal mit ihr im Grunewald spazieren zu gehen. "Es geht darum zu hören, was in diesem Moment anliegt und das dann auch möglich zu machen, wenn es irgendwie geht. Also nicht direkt sagen: 'Nee, Du bist krank, das geht nicht.'"