Perle am Rande der UckermarkVor 200 Jahren schritt Schinkel zur Rettung des Klosters Chorin

Chorin (KNA) "Kloster Chorin ist keine jener lieblichen Ruinen, darin sich's träumt wie auf einem Frühlingskirchhof, wenn die Gräber in Blumen stehen ... Wer hier in der Dämmerstunde des Weges kommt und plötzlich zwischen den Pappeln hindurch diesen still einsamen Prachtbau halb märchenhaft, halb gespenstisch auftauchen sieht, dem ist das Beste zuteil geworden, das diese Trümmer ... ihm bieten können." So beschreibt Theodor Fontane 1873 in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" das Zisterzienserkloster Chorin.

So wäre es gut: hier, am gefühlten Ende der Welt, sich wandernd zurückzuziehen - und sich Gott zu nähern. Stattdessen steigen die meisten heutigen Besucher vor der Pforte aus dem Auto und stolpern mitten ins 13. Jahrhundert. Chorin am Rande der Uckermark, auf halbem Weg zwischen Berlin und Stettin, ist mehr als eine der schönsten Klosteranlagen Deutschlands. In der Ruine ist der Geist der Gründer noch mit Händen greifbar: Ora et labora, bete und arbeite. Arbeit gab es hier genug: Wälder waren zu roden, Landbau und Fischerei von der Pike aufzuziehen.

Das Zisterziensertum war eine Reform des benediktinischen Mönchtums. Zurückgezogenheit, Verpflichtung zur Autarkie: Scharenweise folgten junge Männer im 12. Jahrhundert dem neuen Ruf der Zisterzienser nach totaler Armut. Zurück zu den Wurzeln - das war durchaus wörtlich zu verstehen, denn die Mönche rodeten und ackerten selbst.

Das Ideal des Klosterlebens liegt heute wieder im Trend. Landlust und Einfachheit statt Großstadtleben, dazu Ökolandbau zur Selbstversorgung: So sind die Zisterzienser Folie für eine Utopie vom frommen Mittelalter, als die Welt noch in Ordnung gewesen sei. Dass die Mönche meist nicht älter als 35 wurden, wird gern ausgeblendet. Ein weiterer Kratzer auf dieser Folie ist, dass die radikal armen Zisterzienser quasi wider Willen in kürzester Zeit reich wurden - weil ihre Lebensweise für das Seelenheil adliger Stifter zu bürgen schien. Angesichts bedeutender Schenkungen und Hunderter neuer Klostergründungen wurden zur Erledigung der Arbeit schon bald Laienbrüder aufgenommen und sogar Lohnarbeiter eingestellt.

Auch in der Mark Brandenburg vergaben die askanischen Markgrafen Ländereien für Klostergründungen. Die doppelte Idee dahinter war eine Christianisierung und Befriedung der von den Slawen eroberten Gebiete - und ihre wirtschaftliche Erschließung. Die Zisterzienser von Lehnin erhielten 1258 reichlich Grundbesitz ausgestattet, um auf einer Insel im Parsteinsee das Kloster Mariensee zu gründen. Allerdings wurden am Baugrund gravierende Mängel festgestellt. 1273 wurde die Verlegung nach "Koryn" (Chorin) beschlossen.

Die kommenden vier Jahrzehnte waren für Chorin eine Erfolgsgeschichte, was sich auch in Größe und Güte des Baues niederschlug: Der Besitz wuchs auf 13 Dörfer, 5 Höfe, 11 Mühlen und 23 Seen. Schon 1319 begann jedoch der Niedergang. Erbstreit, Pest und Hungersnöte trafen immer wieder den Lebensnerv des Klosters. Längst schon konnte man die riesigen Ländereien nicht mehr selbst bewirtschaften. 1542 wurde das Kloster aufgehoben und 1543 verpfändet.

Von da an dienten die Gebäude als Scheunen und Ställe, teils gar als Steinbruch. Erst als 1816, vor 200 Jahren, ein preußischer Baubeamter namens Karl Friedrich Schinkel auf den Plan trat, wurde der Verfall gestoppt. In Chorin fand der junge Schinkel, der seine Karriere als Hofarchitekt noch vor sich hatte, einen Haufen zerfallender Backsteine vor, der sich als maroder Bauernhof präsentierte. Doch der Experte erkannte den Wert des Komplexes und bescheinigte dessen "Merkwürdigkeit", sprich Bedeutung. Den Pächter forderte er amtlich auf, zumindest die Schweine aus der Kirche zu entfernen.

Weiterer Entsatz kam 1823, als die königliche Familie Chorin besuchte. Der Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm (IV.) war fasziniert von der Architektur und entsetzt von der Vernachlässigung. Seitdem folgten nach und nach bauliche Sicherungen, etwa neue Maßwerke und ein Kirchendach.

Heute präsentiert sich Chorin wieder als ein gotisches Meisterwerk, belebt wenn nicht durch Mönche, so doch durch Ausstellungen und Dokumentationen des einstigen Klosterlebens. Überregionale Anziehung übt der "Choriner Musiksommer" in der Kirchenruine aus. Er findet in diesem Jahr bereits zum 53. Mal statt.

Zur Person: Karl Friedrich Schinkel

 Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) war ein preußischer Architekt, Stadtplaner, Maler und Zeichner. Er gestaltete den Klassizismus und den Historismus in Preußen entscheidend mit. Als Geheimer Oberbaurat (seit 1815) und Architekt des Königs machte er Berlin zu einer repräsentativen Hauptstadt Preußens. Zugleich zeichnete er für Großprojekte in den preußischen Territorien vom Rheinland im Westen bis Königsberg im Osten verantwortlich. Nach ihm wurde die "Schinkel-Schule" benannt: mehrere Generationen von Architekten, die unter seinem stilbildenden Einfluss standen.