Er wollte sich doch nur ein bisschen umgucken. Und befindet sich plötzlich im Zentrum des Interesses. Der Mann mit dem roten Ziegenbart ist perplex. Vor ihm steht ein Clown, der wild seine Hände bewegt und die Haarpracht des Besuchers berührt. „Fühl mal, wie weich der ist“, sagt der Gebärdende - nur eben ohne Ton. Rechts und links eine Menge, die guckt. Angestrengt guckt. Die Spannung erreicht einen kritischen Höhepunkt. Und schlägt schließlich in Erleichterung um, als der Ziegenbärtler zu verstehen beginnt, worauf der Clown hinauswill.
Andy Heide ist Gebärdenclown von Amts wegen. Am Katholikentagsstand des Erzbistums Berlin reicht er den Menschen ohne Behinderung eine Hand. Und ist dabei einer von vielen Baumeistern, die in Regensburg getreu dem offiziellen Motto Brücken in alle Richtungen errichten: Zu Gott und zu Jesus Christus, zu den Mitmenschen, zu den Nachbarbistümern in Tschechien. Auf der Bistumsmeile schenkt das Bistum Speyer Wein zum Gruß aus, Würzburg verteilt Rosen und Stuttgart ein Lächeln. In Berlin aber versperrt eine Barriere das Durchkommen. Wer in den Stand will, muss sich in einen Rolli schwingen und eine verflixte Rampe meistern. Oder sich an der Seite zwischen Roll-Ups und dem Tastmodell einer Kirche vorbeischummeln.
"UnBehindert Leben und Glauben teilen" ist das Thema hier – noch immer ein Wunschgedanke, wie der Diözesanrat weiß. Vor zwei Jahren hat er einen Beschluss zu Inklusion in Kirchengemeinden erlassen, der das Bewusstsein schärfen soll: „Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen gehören selbstverständlich zur Gemeinde. Inklusive Pastoral ist ein Muss.“, steht da. Konkret heißt das: Zugänge schaffen für Menschen, die beeinträchtigt sind – Gehörlose etwa, Sehbehinderte oder Menschen mit geistiger Behinderung. Das geschieht zum Beispiel über Bibeltexte in leichter Sprache. Oder ein Gebet in Gebärden.
Am Katholikentagsstand des Erzbistums kann man ausprobieren, wie das funktionieren kann: In einer Ecke übersetzen Besucher Abschnitte aus dem Evangelium in leichte Sprache. Oder versuchen es zumindest. „Gar nicht leicht“, sagt eine Frau, die sich schon ein Weilchen mit einem Vers aus Markus herumschlägt. Auch ein bisschen schwer tun sich die Menschen, die einen Abschnitt aus dem Vater Unser vor der Kamera gebärden sollen. Wortwahl, Grammatik – all das gilt es auch in Gebärdisch zu beachten. Professionelle Gebärdendolmetscher helfen und passen auf, dass die Bewegungen stimmig sind.
Während die Rollifahrer auf der Straße ob der großen Hindernisse in Schweiß ausbrechen, herrscht im Stand Gelassenheit. Wer sich durch all die Aktionen bewegen will, der braucht eben Zeit. 20 Minuten zum Beispiel, um ein Shirt mit einem Spruch in Blindenschrift zu bedrucken, was nichts daran ändert, dass die Station dauerbesetzt ist. „Eine Fizzelarbeit“, seufzt ein Mädchen, aber sie klebt weiter fleißig Punkte. Nach Lochen, Kleben und Pressen steht schließlich „Katholikentag 2014“ auf ihrer Brust – in Braille. Dass der gelbe Punkt ein bisschen verrutscht ist, findet sie nicht so schlimm. Nicht etwa, weil die Schrift auf dem Shirt von den meisten sowieso nicht entziffert werden kann. Nein. „Mein Shirt ist eben ein bisschen anders“, sagt sie und zieht die Mundwinkel schief. Auch das ist Inklusion.