„Eine wertvolle Ergänzung“

Für „Winterspielplätze“ öffnen Kirchen ihre Räume für Eltern und Kinder, denen bei schlechtem Wetter in ihren Wohnungen die Decke auf den Kopf fällt. Ein solches Angebot hat der neue Sozialarbeiter in Berlin-Hohenschönhausen mit ins Leben gerufen. Foto: Erzbistum Berlin/Marina Dodt

Zuwachs für Pastoralteams von Pfarreien im Erzbistum: Sozialarbeiter sollen Probleme bedürftiger Menschen im Sozialraum in den Blick nehmen. Christian Schärtl, Personalleiter „Sendung“ im Erzbischöflichen Ordinariat, und Koordinatorin Susanne Netzel erklären, was es damit auf sich hat.

Frau Netzel, wo nehmen Sie Armut in Ihrem eigenen Wohnumfeld wahr?

Susanne Netzel: In einem Flüchtlingsheim bei mir in der Nähe. Auch an den S-Bahnhöfen, wo es Obdachlose gibt und Menschen betteln, oder an Schulen, wo Kinder nicht an Klassenfahrten teilnehmen können.

In einigen Pfarreien gibt es nun Sozialarbeiter. Der Anspruch: nicht warten, bis Bedürftige den Kirchturm finden, sondern selbst dahin gehen, wo Not herrscht. Ist das nicht Aufgabe des Diakons?

Christian Schärtl: In der Pilotphase stellte sich die Frage der Abgrenzung eher gegenüber Gemeinde- und Pastoralreferenten. Sozialarbeiter setzen wir ein, wo Seelsorge an Grenzen gerät, Angebote sozialer Träger aber noch nicht greifen. Ständige Diakone sehen Kollegen, die sich mit Sozialgesetzen auskennen, eher als wertvolle Ergänzung. Zudem mussten die Pfarreien in ihrer Bewerbung darlegen, wie der Sozialarbeiter ins Pastoralteam passt.

Netzel: Sie suchen Ämter auf, vernetzen sich mit anderen Sozialarbeitern, gehen aber auch bewusst auf den Marktplatz, um zu erfahren: Wo brennt es? Diakone haben da womöglich einen anderen Fokus.

In Berlin-Hohenschönhausen gibt es viele von Armut betroffene alleinerziehende Mütter. Wie kann man denen helfen?

Netzel: Ein Kollege hat dort das Projekt „Winterspielplatz“ etabliert. In einem evangelischen Gemeindesaal spielen die Kinder, während die Eltern sich beraten lassen können. Es gibt das „Kino für alle“, kostenlos für Familien mit wenig Geld. Einem Kind wurde vermittelt, dass der Mitgliedsbeitrag im Sportverein entfällt.

Sozial-„Arbeiter“: Das klingt nach Anpacken. Trifft das zu oder sind es eher Sozial-„Manager“, die am Schreibtisch sitzen?

Netzel: Wir erwarten, dass sie beides können: dahin gehen, wo es weh tut, aber auch vom Schreibtisch aus organisieren.

Schärtl: Wichtig ist der Bedarf vor Ort: Wo es ein starkes Ehrenamt gibt, braucht es eher Koordination. Wir wollen vorhandenes Potenzial stärken, nicht ersetzen.

Erzbischof Heiner Koch appelliert an Gemeinden, den ehrenamtlichen Einsatz auch nach Einrichtung hauptamtlicher Stellen aufrechtzuerhalten.

Schärtl: Soziale Arbeit und Ehrenamt sollen Hand in Hand gehen. In der Pfarrei Theresa von Avila Berlin-Nordost hat das Team vom „Friedhofslauschen“ so viel Zuwachs bekommen, dass Dienstpläne nötig sind.

Netzel: Die Sozialarbeiter sollen auch schauen, dass sich Ehrenamtliche – anders als oft geschehen – nicht verausgaben, sondern sich mehr projektbezogen engagieren. Und natürlich geht es darum, Leute zu ermutigen, selbst aktiv zu werden, anstatt nur auf Impulse zu warten.

Manche sagen: „Dass Kirche nach draußen geht, ist schön, aber sie muss auch die eigenen Schäfchen im Blick behalten.“

Netzel: Eine Kollegin hat bei ihrem Antritt in der Pfarrei bemerkt, dass vormals Engagierte länger nicht mehr da waren. Mit der Caritas begann sie, mit Kaffee und Kuchen an Orte zu gehen, wo Kirche nicht mehr präsent war – gerade für Ältere und von Einsamkeit bedrohte Menschen. Es wurden auch digitale Angebote ins Leben gerufen. Großeltern konnten per Videoübertragung auf das Smartphone der Erstkommunion des Enkels beiwohnen.

Schärtl: Ein Sozialarbeiter ist dem Fall eines älteren Mannes nachgegangen, der länger nicht mehr im Gottesdienst war. Es stellte sich heraus, dass er finanzielle Probleme hatte. Mit Gemeindemitgliedern zusammen konnte er helfen, die Probleme anzugehen.