Kleiner Ort mit großer GeschichtePilgerfest in Bad Wilsnack erinnert an Wallfahrtsbewegung

Bad Wilsnack (tv). Es ist eine relativ junge Tradition, die an eine große Wallfahrtsbewegung erinnert – das Pilgerfest in Bad Wilsnack. Die diesjährige 13. Auflage zog hunderte Teilnehmer an.

Rund 50 der Teilnehmer am Pilgerfest begaben sich am Morgen des 20. August an der Plattenburg auf den Pilgerweg zur evangelischen Kirche St. Nikolai in Bad Wilsnack, die dank ihrer Wallfahrtsgeschichte im Volksmund Wunderblutkirche genannt wird. Der rund sieben Kilometer lange Weg ist die letzte Etappe des Pilgerweges Berlin – Bad Wilsnack.

Wallfahrtsgeschichte ist wieder im Bewusstsein

Viele evangelische Christen, Katholiken, aber auch Konfessionslose gingen die Etappe gemeinsam. Damit stand die Pilgergruppe stellvertretend für die gemischte Schar der Besucher des Festes und verdeutlichte, dass es wohl die größte Leistung der Initiatoren ist, mit Pilgerfest und Pilgerweg die Wahlfahrtsgeschichte des Ortes wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt zu haben, von der vor Jahren selbst viele Menschen in der Prignitz wenig wussten.

„Im Spätmittelalter stand Wilsnack – wie der Ort damals hieß – in einer Reihe mit Santiago de Compostela und zählte zu den bedeutendsten Wallfahrtsorten Europas“, hob der katholische Pfarrer Josef Scholz in einer ökumenischen Andacht in der Wunderblutkirche hervor. Der frühere Pfarrer von Wittstock/Dosse sagte zum ökumenischen Hintergrund des Festes: „Die alte Wallfahrtsbewegung fiel in die katholische Zeit, die Wiederbelebung der Tradition hat die evangelische Kirchengemeinde initiiert.“

Im Jahr 2004 hatten die evangelische Kirchengemeinde Wilsnack und der Förderverein Wunderblutkirche St. Nikolai erstmals zu einem Pilgerfest in die rund 2500 Einwohner zählende Kurstadt eingeladen. Zwei Jahre später erhielt der 130 Kilometer lange Pilgerweg von Berlin nach Bad Wilsnack neue Schilder und damit genau in jenem Jahr, in dem Hape Kerkeling mit seinem Buch „Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg“ das Pilgern weit über religiöse Kreise hinaus populär machte. Damit trafen die Initiatoren ungeplant den Nerv der Zeit.

„Während die Gesamtzahl der Besucher beim Pilgerfest jedes Jahr in etwa bei 1500 liegt, wächst die Zahl derer, die zum Auftakt den Pilgerweg laufen“, beobachtet Jochen Purps, Vorsitzender des Fördervereins Wunderblutkirche. Das Fest solle bewusst mehr als der nach der ökumenischen Andacht stattfindende Mittelaltermarkt sein, betonte er. Die Mischung aus Handwerk, Geschichte und Religion führe dazu, dass sich viele Besucher auch für die Zeit Wilsnacks als Pilgerzentrum interessierten.

Wallfahrten überdauerten sogar die Reformation

Deutlich wurde dies beim Laientheater, das Szenen aus der Wallfahrtsgeschichte zeigte: Der Überlieferung nach fand der Wilsnacker Pfarrer Cabbuez 1383 in der niedergebrannten Kirche drei vom Feuer unversehrte Hostien, die Blutflecken aufwiesen. Die Menschen waren überzeugt, dass es sich dabei um Christi Blut handele.

Vor allem aus Nord- und Osteuropa pilgerten die Menschen zum Heiligen Blut, um Hilfe in körperlichen oder seelischen Nöten zu erfahren. Diese Wallfahrtstradition überdauerte sogar die Reformation und endete 1552 abrupt, als der erste protestantische Prediger Wilsnacks die Reste der Bluthostien verbrannte. In der Folge geriet die große Pilgertradition des kleinen Ortes in Vergessenheit, an die nun das Pilgerfest wieder erinnert.