Was wird aus der Finower Kirche?

Da war die Welt noch in Ordnung: Gemeindemitglied Helmut Adams zeigt ein Foto der Kirche St. Theresia vom Kinde Jesu aus den 80er Jahren. Foto: Stefan Schilde

„Meine Kirche verfällt“, beklagt Helmut Adams, Mitglied der Finower Gemeinde St. Theresia vom Kinde Jesu. Hier müsse dringend etwas passieren. Doch so einfach geht das nicht, sagt der Pfarrer.

Wenn Helmut Adams durch die Kirche und über das Grundstück seiner Gemeinde „St. Theresia vom Kinde Jesu“ in Finow bei Eberswalde läuft, leidet er. „Auch das noch“, stöhnt er auf, als er an der zweiten Kreuzwegstation vorbeigeht. „Jetzt blättert hier schon der Gips ab.“ Das Wasser hatte sich im Mauerwerk dahinter gesammelt. „Weil es durch die Regenrinnen nicht richtig ablief.“ Draußen wuchern Hecke, Büsche und Wiese.

Helmut Adams zeigt ein Bild des Gotteshauses aus den 80ern. Alles wirkt gepflegt. „Unsere Kirche war immer ein Schmuckkästchen“, erzählt er. „Und jetzt?“ Um zu verstehen, warum ihm der Erhalt so sehr am Herzen liegt, muss man auch seine Vita sehen. Adams führte eine eigene Malerfirma. Über Jahrzehnte hat er die Kirche mit seinen Mitstreitern im Kirchenvorstand, viele davon Handwerker, Schritt für Schritt aufgehübscht: Orgel, Bänke, auch das Dachkreuz, das mit dazu beiträgt, dass der fehlende Kirchturm gar nicht auffällt. Ein paar Meter Luftlinie von hier ist er groß geworden, in St. Theresia feierte er Taufe, Erstkommunion, Firmung, half bis zu seinem 75. Lebensjahr als Ministrant aus. Von den Generationen nach ihm sind die meisten weggezogen, eine aktive Jugend ist nicht in Sicht. Hinter den Schriftzügen wie „Jesus saves“, die an Stromkästen gesprüht wurden, vermutet er Freikirchler.

Doch noch kommen hier 30 Menschen regelmäßig in die Gottesdienste. Und diese verdienen, geht es nach Helmut Adams, eine Kirche in ordentlichem Zustand. Zumal im November das 90-jährige Kirchweihjubiläum ansteht. Helmut Adams ist dann 83 Jahre alt. Wer weiß, ob er das 100-jährige Jubiläum noch erleben wird? Dass die Jubilarin in diesem Zustand gefeiert werden soll, ist für ihn eine Horrorvision. Er spricht auch von einer Verpflichtung der verbliebenen Gemeindemitglieder, das Vermächtnis der Gründer in Ehren zu halten. Einige habe er noch selbst kennengelernt. „Hier muss dringend gehandelt werden. Da ist die Leitung gefragt.“

Pfarrer Kohnke: „So einfach ist es nicht.“

Ein Teil der Leitung steht gerade neben ihm. Es ist Pfarrer Bernhard Kohnke, der hier soeben die heilige Messe zelebriert hat. Er hat eine andere Sicht auf die Dinge. „Als Pfarrer von St. Christophorus Barnim bin ich für elf Gottesdienstorte verantwortlich. Alle haben ihre berechtigten Anliegen“, sagt er. Personell komme man bei allem, was anfalle, kaum hinterher. 2021 wurde die Pfarrei St. Christophorus Barnim gegründet. Zu ihr gehören die früheren Pfarreien St. Peter und Paul Eberswalde, Herz Jesu Bernau und Mater Dolorosa Berlin-Buch. Mit 2200 Quadratmetern ist sie flächenmäßig mehr als doppelt so groß wie Berlin. Im Erzbischöflichen Ordinariat hört man den Begriff „Großpfarrei“ nicht so gerne. In ihm spiegeln sich die Ängste der Gemeinden, mit ihren Anliegen in den großen Pfarrverbänden zu kurz zu kommen. Und da ist ja auch noch der Prozess der Immobilienentwicklung: Pfarreien sollen ihre wenig genutzten Gebäude verkaufen – und abwägen, welche Sanierungen perspektivisch ökonomisch noch Sinn haben.

Im Fall Finow führt das zu einem Dilemma, denn: Das Geld ist eigentlich da. Ein früherer Finower, der sein Glück im Westen machte, spendete einen Teil seines Erbes seiner Heimatgemeinde, ein mittlerer sechsstelliger Betrag. „Da muss es doch möglich sein, mit einem Bruchteil der Summe Fachfirmen zu beauftragen, um hier einmal alles auf Vordermann zu bringen“, sagt Helmut Adams.

„Ganz so ohne Weiteres geht das nicht“, entgegnet Bernhard Kohnke. Man wisse nicht, was noch komme, das Geld müsse daher nachhaltig ausgegeben werden. Auch er nehme die Probleme wahr, habe zum Beispiel schon eine Dachdecker-Firma damit beauftragt, die Schäden im Dach zu beheben. Doch die Dachziegel seien seit 1934 nicht ausgetauscht worden, wer wisse schon, ob künftig nicht noch mehr anstehe? Den Hausmeister, der nur eine halbe Stelle hat, soll sich mehr um das Grundstück kümmern. „Der tut, was er kann.“ Und wenn die Mauer im Sommer getrocknet sei, könne man die Wasserschäden in Angriff nehmen.

Keine Rundum-Kur – stattdessen Einzelmaßnahmen?

Es ist nicht so, dass die beiden nicht miteinander reden können. Sie kennen sich seit Jahrzehnten, duzen sich, sprechen sachlich miteinander. Helmut Adams wirbt um aktives Handeln, Bernhard Kohnke um Verständnis, dass alles komplizierter sei als es den Anschein habe. Man wird aber das Gefühl nicht los, dass sie dieses Gespräch nicht zum ersten Mal miteinander führen.

Er sei zuversichtlich, sagt Pfarrer Kohnke, dass St. Theresia zum Jubiläum in einem annehmbaren Zustand sei. Eine komplette Renovierung oder Sanierung halte er nicht für realistisch. „Wenn die Kirche im November 90 Jahre alt wird, wird man ihr das auch ansehen.“ Insgesamt, das wolle er auch mal loswerden, wünsche er sich auch mehr Eigeninitiative der Gemeinde. Auf der Wiese weht der Wind Verpackungsreste umher. Offenbar nicht erst seit gestern, denn die Aufdrucke darauf sind schon ausgeblichen. Danach verabschiedet sich Pfarrer Kohnke, die nächste Messe will gefeiert werden.

Als auch Helmut Adams den Nachhauseweg antreten will, kommt ein Auto vorgerollt. Die Scheibe geht runter, es grüßt Stephan Fischer, der Mitglied im Kirchenvorstand ist. Zu den Gottesdiensten zieht es ihn selbst meistens ins benachbarte Eberswalde, als Finower lasse ihn die Theresienkirche aber nicht kalt. Als er gestern auf dem Heimweg vorbeigefahren ist, hat er seinen Wagen abgestellt und mal wieder spontan zur Laubharke gegriffen. Helmut Adams zählt ihm auf, was alles im Argen liege und behoben werden müsse. „Ich fürchte, ganz so einfach geht das nicht“, sagt Stephan Fischer. Er klingt dabei ein wenig wie Pfarrer Kohnke, sein Kollege im Kirchenvorstand. „Aber wir werden sehen, was wir tun können.“