BZ-Kolumne

Pilgern ist mittlerweile „säkularisiert“

Als das Pilgern erfunden wurde, waren Berlin und Cölln noch zwei kleine Dörfer an der Spree, bzw. sogar kaum besiedelte Sumpflandschaft im Urstromtal. Als das Pilgern erfunden wurde, gab es auch noch keine christlichen Pilgerstätten.

Die biblischen Psalmen sind voll von Pilgerliedern nach Jerusalem, aber auch aus dem alten Ägypten ist pilgern eine Übung, der sich gläubige Menschen unterzogen als Ausdruck ihrer Suche nach Gott.
Mittlerweile ist Berlin eine Millionenstadt mit reichlich Verkehr und öffentlichem Nahverkehr, Pop-Up-Fahrradwegen und unterschiedlichsten Kulturen, Religionen und Traditionen. Platz für einen Pilgerweg? Gibt es doch. Zuletzt hat das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg die traditionelle Jakobsmuschel als Markierung für den bekanntesten europäischen Pilgerweg nach Santiago de Compostela wieder als Markierung anbringen lassen. Man kann also auch in Berlin pilgern.
Mittlerweile hat sich auch die Perspektive auf das Pilgern verändert. Wer sich auf einen Pilgerweg macht, kann heutzutage die Risiken besser einschätzen, wird sich Dank Markierungen, GPS und Landkarten kaum mehr verlaufen, er oder sie wird aber auch nicht mehr unbedingt nach Gott suchen. Auch das Pilgern ist mittlerweile „säkularisiert“, gesucht wird nach dem Sinn des Lebens oder auch nach sich selbst, gesucht wird die Überwindung der eigenen Trägheit oder der Ausweg aus der Tretmühle eines anstrengenden Alltags.

Ob die Pilger früher wirklich am Ende ihrer Pilgerreise zu Gott oder zum Glauben (zurück-)gefunden haben, weiß ich nicht zu sagen. Für mich ist und bleibt Gott und der Glaube an ihn eine Antwort auf die großen Fragen des Lebens, auch – und vielleicht gerade dann – wenn der, der fragt, das für ausgeschlossen hält.