Beten mit den Füßen Ökumenische Pilger-Initiative in Vorpommern

Im nördlichsten Teil des Erzbistums soll ein ökumenischer Pilgerverein gegründet werden. Seit fast vier Jahren wächst die Bedeutung des Pilgerns in Vorpommern. Inzwischen gibt es in Stralsund eine Pilgerkapelle, einen Pilgerrundweg durch die Altstadt und eine ökumenische Pilgerbegleitausbildung – die ist einmalig in Deutschland.

„Die Menschen möchten unterwegs sein. Warum kann ich das mit meiner Kirche nicht auch machen?“, fragte sich Marion von Brechan vor fast vier Jahren. Sie ist Referentin für Tourismuspastoral im Erzbistum Berlin. Zunächst bot sie begleitete Pilgerwege von Binz nach Sellin auf der Insel Rügen an, später kamen Pilgerradtouren und Inselrundfahrten hinzu. „Und die Menschen kamen, auch bei Regen“, freut sie sich. Mit ihrer Idee ging sie auch zu ihren evangelischen Nachbarn auf der Insel Rügen, stellte sie im Konvent vor und fand Resonanz, vor allem bei Pastorin Ellen Nemitz. Diese war seit 2015 im Süden der Insel in Altefähr und Rambin tätig. Hier bot sie schon länger Pilgerbegleitung an, schrieb mit der in Altefähr ansässigen Schriftstellerin Sandra Pixberg ein Buch über den Pilgerweg der Heiligen Birgitta von Schweden, der den Nordeuropäischen Olavsweg mit dem berühmten Jakobsweg verbindet.

Wege zum Kraftschöpfen

Seit 2013 weisen Muscheln mit einem weißen Kreuz Pilgern die Richtung. Auch in der Hansestadt Stralsund sind sie zu sehen. Marion von Brechan und Ellen Nemitz haben mit Unterstützung der Stadt einen Pilgerrundgang entwickelt. Ausgehend von der Kulturkirche St. Jacobi können Interessierte diesen immer freitags begehen, bis September, und unterwegs die Kirchen und ehemaligen Klöster der Altstadt entdecken. In einem Pilgerpass erfahren die Besucher mittels QR-Code mehr über die jeweiligen Orte, sie können auch digital für die Pilgerinitiative spenden und natürlich Stempel sammeln. „Zunächst hatten einige Gemeinden noch gar keine Pilgerstempel. Aber sie merkten schnell, dass wir es ernst meinen mit unserem Vorhaben und haben sogar eigens welche entworfen“, erzählt die Referentin für Tourismuspastoral. „In St. Marien sagen uns die Ehrenamtlichen auch mittlerweile: ‚Gebt uns Bescheid, wenn ihr da seid, wir machen dann die Führung durch die Kirche.‘ Das ist einfach wunderbar! Daran merken wir auch, dass das Interesse an den Pilgerwegen von der Basis kommt.“

Doch es werden nicht nur begleitete Pilgerwege auf Rügen und in Stralsund angeboten. Marion von Brechan und Ellen Nemitz haben ökumenisch noch viel vor: Mitte Juli 2021 hat die ökumenische Pilgerinitiative in der Kulturkirche St. Jacobi eine Kapelle eingerichtet und eingeweiht, die Pilger zum Verweilen einlädt. Der kleine offene Nebenraum mit einem Tischchen, einem Kreuz und dem Bild „Werden“ der Künstlerin Sylvia Vandermeer ist schlicht. Aber er reicht, um durchzuatmen, zu beten und Kraft für den weiteren Weg zu schöpfen.

Das Pilgerprojekt lebt aber auch von der Beteiligung der Menschen mit ihrer Zeit, ihren Kontakten und ihren finanziellen Ressourcen. Deshalb wird das engagierte Team punktuell von der Fundraisingstelle des Erzbistums beraten und begleitet. „Für mich ist besonders charmant, dass Marion von Brechan und Ellen Nemitz, die das Herz dieser Initiative sind, ganz intuitiv verschiedene Fundraising-Instrumente einsetzen. Sehr niedrigschwellig ist z. B. die Einladung zur Online-Spende mittels QR-Code auf dem Pilgerpass. So können zufriedene und gestärkte Pilger ihrem Dank auch mit einer kleinen Spende spontan Ausdruck verleihen“, hält Uta Bolze, die Referentin für die Fundraisingentwicklung im Erzbistum Berlin fest.

Pilger begleiten – aber richtig

Und die Initiative möchte noch mehr: „In dem Moment, in dem man anfängt die einzelnen Stränge zu koordinieren, entstehen Netzwerke“, ist Ellen Nemitz überzeugt. Diese Netzwerke werden auch durch eine ökumenische Pilgerbegleitausbildung gestärkt. Seit letztem Jahr ist dies in Vorpommern möglich, in Kooperation mit dem Pilgerzentrum der Nordkirche, dem Pilgerpastor Bernd Lohse und der katholischen Pfarrei St. Bernhard, die von Rügen über Stralsund bis nach Demmin reicht. An einem Wochenende beleuchten die Teilnehmer ihre eigene Pilgerbiografie, aber es wird auch die Theologie des Pilgerns und seelsorgliches Handeln vermittelt. Im Sommer findet der praktische Teil statt. Die Teilnehmer planen selbstständig einen Pilgerweg und setzen geistliche Impulse. Ein zweites Wochenende im Herbst dient dann dem Austausch über die eigenen Projekte. Diese Pilgerbegleitausbildung mit ihrer ökumenischen Ausrichtung ist einmalig in Deutschland.

Sabine Petters aus Jager bei Greifswald hat im letzten Jahr an dieser Ausbildung teilgenommen. Sie pilgert schon seit 2014. „Das Jahr war für mich ein Krisenjahr. Auch mein Mann hatte eine Frage im Hinterkopf“, sagt sie heute. Der Urlaub fiel für sie aus, sie mussten umplanen. Mit zwei Rucksäcken und einem Pilgerführer machten sie sich auf den Weg. Seitdem ist das Pilgern ein zentrales Element in ihrem Leben geworden. „Pilgern ist Achtsamkeit gegenüber der Schöpfung, den Lebewesen“, ist sie überzeugt. Die zusätzliche ökumenische Pilgerbegleitausbildung sieht sie als Chance zum Austausch. Dort begegneten ihr „so viele tolle pilgerbegeisterte Menschen“, die insbesondere das Netzwerk befruchtet hätten. Auch der katholische Glaube beeindruckte die evangelische Christin tief.

Für all diese Angebote, Vorhaben und Menschen soll nun ein Verein gegründet werden. Die Gründung läuft. Die Satzung ist geschrieben. Auch das Erzbischöfliche Ordinariat ist mitbeteiligt und die Pfarrei St. Bernhard. Mit dem ökumenischen Pilgerverein für Vorpommern sollen die vorhandenen Netzwerke weiter gestärkt und ausgebaut werden. „Die Mitgliedschaft in einem Verein ist eine sehr hohe Form der Beziehung und Verbindung mit dem Projekt, gehört fast schon zur ‚Königsdisziplin‘ im Fundraising“, findet Uta Bolze und sie ergänzt: „Hier wächst ein Projekt, das vielen Menschen Beteiligung in verschiedener Intensität und Form ermöglicht, ein Netzwerk aus Nutzern und Unterstützern; ein Herzensprojekt – gemeinsam unterwegs.“