Ein zweites Zuhause Das Afrika Center in Berlin-Schöneberg ist eine beliebte Anlaufstelle

Foto: Jürgen Gressel-Hichert

Die Afrika-Missionare unterstützen auf vielfältige Art und Weise in Berlin lebende Afrikaner, in ihrer neuen Heimat Fuß zu fassen. Aber sie kümmern sich auch um Strafgefangene und obdachlose Menschen im Görlitzer Park. Einblicke in einen ganz besonderen Ort kirchlichen Lebens.

„Kumbaya, my Lord!“, schallt es über den Hof, begleitet von Trommelwirbeln. Männer in farbenfrohen Hemden sitzen auf Bierbänken neben Frauen in buntgemusterten Kleidern mit zum Teil kunstvollen Flechtfrisuren. Kinder mit Dreadlocks, Zöpfen und knallbunten Haarspangen toben dazwischen herum.

Etwa 40 Menschen sind zum Sommerfest des Afrika Centers, das auf dem Gebiet der Pfarrei St. Matthias liegt, zusammengekommen. Erst wird Gottesdienst gefeiert, danach gegrillt. Pater Frank Roßmann gehört zum Orden der Afrikamissionare und leitet das Center seit zehn Jahren. Er schüttelt Hände, verteilt Teller und Besteck und scheint sich wohlzufühlen in dem Trubel. Es herrscht ein Stimmengewirr aus Deutsch, Englisch, Französisch, Swahili, Luganda und anderen afrikanischen Sprachen.

„Mehr als 25 verschiedene Sprachen werden hier im Afrika Center Berlin gesprochen“, erzählt Pater Frank Roßmann. Es ist eine beliebte Anlaufstelle für Menschen aus Afrika. Sie bekommen hier Rechts- und Sozialberatung und Deutschunterricht. Hier treffen sich Familien, aber auch Frauen und Männer in verschiedenen Gruppen, um über Gott und die Welt zu reden und sich Tipps zu holen von Menschen, die in einer ähnlichen Lage sind. „Wir haben zum Beispiel einen Club für Männer aus binationalen Beziehungen“, berichtet Pater Roßmann. „Hier können sie über alles sprechen, was sie belastet.“ Auch eine Gruppe afrikanischer Homosexueller trifft sich hier. Aus Sicherheitsgründen wird sie nicht offiziell auf der Website des Afrika Centers genannt, sei aber intern bekannt. „Die Männer haben einen Schutzraum hier. Sie können oft nicht zurück, weil ihre Familien ihre Homosexualität ablehnen oder weil ihnen Verfolgung droht in ihren Heimatländern, wie zum Beispiel in Uganda.“

Das Afrika Center Berlin kümmert sich auch um afrikanische Strafgefangene der JVA Tegel, aber vor allem um obdachlose Männer im Görlitzer Park. Dort betreut Pate Roßmann mit einem kleinen Team ein gutes Dutzend Westafrikaner aus Mali, Senegal, Gambia, einige aus Ghana und Nigeria. Die Streetworker kommen meist selbst aus Afrika und besuchen die obdachlosen Männer jeden Freitag. „Wir haben eine Köchin, die afrikanisches Essen kocht“, erzählt der Pater, „und verteilen davon 15 Portionen. Das ist nicht besonders viel, aber finanziell können wir im Moment nicht mehr leisten.“

Abhängigkeit und Illegalität

Stephen Amoah ist Teil des drei- bis fünfköpfigen Streetworker-Teams. Er stammt aus Ghana und hat in Berlin Medizin studiert. „Es ist wichtig, dass wir regelmäßig bei den obdachlosen Männern im Görlitzer Park sind und dass wir Vertrauen zu ihnen aufbauen. Unsere Team-Mitglieder sprechen afrikanische Sprachen – das hilft sehr. Wir hören zu, um herauszufinden, wo die Probleme liegen.“ Viele Männer seien abhängig von Drogen und Alkohol und hätten Probleme mit Polizei und Justiz. Die meisten von ihnen sind abgelehnte Asylbewerber. Sie sind im Görlitzer Park untergetaucht, schlafen dort in Zelten oder unter freiem Himmel, immer auf der Flucht vor der Polizei.

Pater Roßmann kennt sich mit ihrer Situation aus. Er hat 15 Jahre in Afrika gelebt und gearbeitet. „Die Männer werden mit falschen Versprechungen nach Europa gelockt“, erzählt er. „Ihre Familien tun sich zusammen und sammeln Geld, um ihnen die Flucht nach Europa zu ermöglichen. Im Gegenzug erwarten die afrikanischen Familien finanzielle Unterstützung von den jungen Männern, die es nach Europa schaffen. Der Druck ist enorm. Aus dieser Abhängigkeit ist es nur sehr schwer herauszukommen.“

Aus diesem Grund würden manche abgelehnte Asylbewerber oft in die Illegalität untertauchen. „Viele von ihnen sind traumatisiert“, sagt der Sozialarbeiter Jackson Opio aus Uganda, der ebenfalls zum Streetworker-Team im Görlitzer Park gehört. „Das ist etwas, was ich aus meiner persönlichen Erfahrung kenne. Ich habe 90 % meines Lebens in einer politischen Konfliktzone verbracht.“ Jackson Opio kam 2014 nach Berlin und studierte Sozialarbeit an der Alice Salomon Hochschule. Für die obdachlosen Männer versucht er Rechtsberatung und medizinische Betreuung zu organisieren. Hierzu arbeitet das Afrika Center Berlin auch mit anderen Hilfsorganisationen wie etwa Fixpunkt e. V. zusammen.

Pater Anselm Mahwera kommt aus Tansania und ist erst seit 2022 in Deutschland. Er ist jede Woche mit dem Streetworker-Team bei den Männern im Görlitzer Park. Viele seien total erschöpft, erzählt er, weil sie mehrmals pro Nacht ihr Schlafquartier wechselten – aus Angst vor der Polizei. „Ich wünsche mir, dass wir für die obdachlosen Männer einen Ort finden, an dem sie zur Ruhe kommen können“, sagt er. „Wo sie ihre Wäsche waschen und ihre Handys aufladen können. Ein Ort, der für sie eine Art Zuhause ist.“

Eine Chance, dass ihr Asylverfahren noch einmal aufgerollt werde, hätten die wenigsten. Deutschland stufe derzeit viele Asylbewerber aus Westafrika als Wirtschaftsflüchtlinge ein, obwohl manche dort z.B. als Homosexuelle von den Behörden verfolgt und bestraft werden würden. Pater Frank Roßmann schlägt deshalb vor, in den deutschen Ämtern, die mit Migranten zu tun haben, verstärkt Menschen mit einem ähnlichen Hintergrund einzustellen. Diese würden ihre Klienten besser verstehen. „Europa hat viele Nationen südlich der Sahara ausgebeutet“, sagt der Leiter des Afrika Centers Berlin nachdenklich. „Jetzt sind wir gefragt. Wir sollten den Menschen, die dort nicht mehr leben können, helfen, bei uns Fuß zu fassen.“