Gewinn für alle Ein Kita-Zweckverband für das Erzbistum Berlin

Es gibt 74 Kitas im Erzbistum Berlin, 67 davon befinden sich in Trägerschaft der Pfarreien. Mit der Gründung eines Kita-Zweckverbandes soll sich die Zuständigkeit ändern. Warum das nötig ist und was genau das für die Kitas und die Pfarreien bedeutet, erklärt Günter Eilers (60), der den Aufbau des Zweckverbandes im Erzbistum Berlin als externer Projektleiter betreut. Der systemische Berater hat hiermit schon reichlich Erfahrung gesammelt, z. B. im Bistum Essen.

Herr Eilers, kurze Wege in der Pfarrei, enger Kontakt, hohe Identifikation mit „der eigenen Kita“ – es läuft doch gut mit Kita und Pfarreien. Wieso soll sich die Trägerstruktur ändern?

In der Tat betreiben die Pfarreien ihre Kitas weitgehend mit großem Engagement und mit kompetenter Unterstützung durch den Caritasverband. Das verdient Respekt und Wertschätzung. Die Pfarreien selbst und verschiedene Verantwortungsträger im Erzbistum Berlin betrachten aber mit Sorge die Entwicklung. Kitas verlangen vom Träger hohe Kompetenz, eine sich verändernde Professionalität und eine wirtschaftliche Stabilität. Zudem zeigen sich gravierende Umbrüche in Kirche und Gesellschaft: ein anderes Verhältnis der Menschen zu Glauben und Kirche, der demografische Wandel, eine sinkende Zahl der Priester und Mitglieder, Veränderungen im ehrenamtlichen Engagement.

In Zukunft betreiben mehr als 50 Prozent der Pfarreien jeweils drei und mehr Kitas. Wir erleben eine Zunahme der Anforderungen an ehrenamtliche Gremien und Pfarrer mit bis zu 100 zu führenden Mitarbeitenden sowie eine zunehmende Belastung der Kita-Leitungen mit Trägeraufgaben. Die wachsende Konkurrenzsituation um Trägerschaften und Personal in der Öffentlichkeit und Gesellschaft fordert eine gemeinschaftliche Reaktion.

Was ist der Vorteil für Pfarrei und Kita, wenn letztere in einem Zweckverband aufgeht?

Es sollte für alle Beteiligten einen Gewinn geben: Die Pfarrei wird strukturell und finanziell in ihrer unmittelbaren Verantwortung für die Kita entlastet. Die Kita-Leitung kann sich mehr auf ihr Kerngeschäft der Kita-Zweckverband Erziehung und Bildung konzentrieren. Die religionspädagogische Arbeit wird konzeptionell deutlicher unterstützt und die pastoralen Mitarbeitenden in der Pfarrei erhalten mehr Freiraum. Und letztlich ist das Erzbistum Berlin mit dem Kita-Zweckverband in der Lage, den besonderen Schwerpunkt Bildung in Bezug auf die Kitas angemessener als Ganzes zu steuern und die Kitas strategisch zukunftsfähig zu machen.

Sicher gab es nicht nur Zustimmung zur Idee, einen Kita-Zweckverband zu gründen?

Das ist richtig, anders wäre es aber auch verwunderlich gewesen, denn neue Strukturen sorgen immer für Verunsicherung – egal in welchem Bereich. Und es ist für meine Arbeit auch wichtig, dass unsere Überlegungen hinterfragt werden, denn durch kritische Anfragen können viele Stolpersteine ganz und gar vermieden oder rechtzeitig aus dem Weg geräumt werden. Wir haben die Pfarreien beispielsweise von Beginn an intensiv in die Satzungsentwicklung eingebunden, haben Raum für Wünsche und Forderungen gelassen und so das Vertrauen geschaffen, dass wir gemeinsam etwas Gutes bewirken wollen. Und das funktioniert gut für beide Seiten.

Und hat die Pfarrei zukünftig noch Mitspracherecht in Sachen Kita?

Die Kita ist und bleibt ein wichtiger Ort kirchlichen Lebens in der Pfarrei. Ziel ist es, dass Pfarreien den Zweckverband als gemeinsame Einrichtung verstehen und ihre Rechte und Pflichten auf verschiedene Weise im Zweckverband wahrnehmen. Ganz praktisch bedeutet das für eine Pfarrei, dass sie z. B. bei der Personalauswahl, bei den pastoralen Konzepten und bei der Instandhaltung der Gebäude eingebunden bleibt. Auf der Ebene des Zweckverbandes heißt die Beteiligung der Pfarreien: Eine Vertreterversammlung in der Hand der Pfarreien entscheidet über grundsätzliche Fragen der Struktur, über die Berufung und Entlastung eines Aufsichtsrates, über Jahresabschlüsse sowie Grundstücksfragen und Beteiligungen. Ein Aufsichtsrat beruft und überwacht eine Geschäftsführung. Die Geschäftsführung leitet den Verband. Weitere festgeschriebene Rechte der Pfarreien sind in der Satzung vorgesehen, um die Mitwirkung der Pfarreien zu garantieren, ohne die Handlungsfähigkeit und Verantwortung des Zweckverbandes einzuschränken.

Der Caritasverband für das Erzbistum Berlin unterstützt seit 1961 die Kirchengemeinden mit fachlicher Beratung, Personalverwaltung, Haushaltsführung sowie Fort- und Weiterbildung. Gibt er diese Aufgaben komplett ab?

Die Interessenvertretung der Kitas nach außen hin verteilt sich zukünftig – immer abhängig vom Thema – auf drei Schultern: die katholischen Büros, den Bereich Bildung im Erzbischöflichen Ordinariat und den diözesanen Caritasverband. Nach aktuellem Beratungsstand wird die Geschäftsstelle des Zweckverbandes schlank strukturiert. Sie gewährleistet die pädagogische Leitung und Beratung, die Haushaltsführung, das Rechnungswesen, die Personalverwaltung, die Immobilienbetreuung, das Qualitätsmanagement und die Fort- und Weiterbildung. Diese Aufgaben und mögliche zusätzliche Leistungen werden vom Kita-Zweckverband übernommen.

Was bedeutet die Veränderung in der Trägerschaft für die rund 1.000 Angestellten in den katholischen Kitas?

Ganz wichtig: Niemand muss sich um seinen Arbeitsplatz oder die Arbeitsbedingungen sorgen! Alle Mitarbeitenden werden im Rahmen eines gesetzlich geregelten Betriebsübergangs mit Besitzstandswahrung Angestellte des Kita-Zweckverbandes. Alle ihre Rechte und Pflichten bleiben davon unberührt.

Wann ist der Prozess abgeschlossen und der Zweckverband gegründet?

Es ist geplant, dass Mitte des Jahres 2022 alle rechtlichen Fragen zum Kita-Zweckverband geklärt sind. Damit kann das offizielle Anerkennungsverfahren eingeleitet werden und die Pfarreien können bis Frühjahr 2023 über einen Beitritt entscheiden. Die Geschäftsstelle wird ab Anfang 2023 eingerichtet und die Verwaltung organisiert. Eine erste Übernahme von Einrichtungen soll zum Januar 2024 erfolgen.