„Was ist denn Freizeit?“ Visitation im Seniorenstift St. Antonius in Berlin-Karlshorst

Hl. Messe in der Kapelle mit Erzbischof Koch und Pfr. Benning. Foto: Olaf-Peter Sauer

Bereits zehn Minuten vor Beginn der Heiligen Messe herrschte erwartungsvolle Stille in der Kapelle des Seniorenstifts St. Antonius. Alle warteten auf den Erzbischof, der im Rahmen der Visitation die Karlshorster Senioreneinrichtung besuchte und mit Bewohnern, den Marienschwestern sowie Mitarbeitenden Gottesdienst feierte.

In seiner Predigt sprach er von der irdischen Sehnsucht nach Heimat und den himmlischen Wohnungen: „Unsere Heimat ist im Himmel. Seien Sie gewiss: Wenn wir sterben, kommt uns der gute Gott entgegen und sagt: ‚Komm, bei mir bist du zuhause‘.“ Er ermunterte alle, einander bereits hier und heute ein wenig Heimat zu schenken.

Beim Gespräch mit der Verwaltungsleiterin Kerstin Hagedorn und Schwester Maria Walburga Felsmann, der Oberin des Konvents der Marienschwestern von der Unbefleckten Empfängnis, informierte sich der Bischof zunächst über die 2001 gegründete Einrichtung. Die Leiterin berichtete vom Angebotsspektrum und von  langen Wartelisten sowohl für das Service-Wohnen in zwei Stadtvillen als auch für einen Platz im Seniorenheim.

Warum denn so viele das St. Antonius-Stift bevorzugten, wollte der Bischof wissen. Das habe mit den Ordensschwestern zu tun, meinte die Heimleiterin. Sie prägten die Atmosphäre des Hauses: „Sie sind immer präsent, wachen bei Sterbenden, besuchen die Bewohner, gehen mit ihnen spazieren, begleiten sie zum Gottesdienst.“ Dienste, für die das Pflegepersonal kaum Zeit fände.

Es verwunderte daher nicht, dass sie auf die Frage des Erzbischofs, worin sie das größte Problem sähe, den Personalmangel nannte. Zwölf offene Stellen gäbe es derzeit. Und die Leasingkräfte wären teuer, weil die Leiharbeitsfirma übertariflich bezahle, während der Träger des Seniorenstifts, der St. Marien e.V., nach Tarif bezahlt. Außerdem hätten die geleasten Pflegekräfte feste Tagesarbeitszeiten; in einer stationären Einrichtung müssten aber rund um die Uhr Pflegekräfte verfügbar sein. Deshalb „gehen wir von der Verwaltung auch schon mal auf die Stationen und übernehmen Aufgaben der Pflege“, so Kerstin Hagedorn, die seit sieben Jahren im St. Antonius-Stift tätig ist. Eine Hilfe seien auch sieben Auszubildende, die im St.-Antonius-Stift ihre Praxisausbildung absolvieren. 

Schwester Walburga Felsmann ist für den Bereich Service-Wohnen in den zwei Stadtvillen im Park des Seniorenstifts verantwortlich. Sie organisiert die Vermietung der Wohnungen sowie Veranstaltungen für die Mieter, ist aber auch auf den Stationen im Einsatz. Wichtig sei ihr auch, zu den Beerdigungen von Bewohnern zu gehen, „um am Grab zu beten, gerade auch an den Gräbern derer, die ohne ein Gebet beerdigt werden und bei Sozialbestattungen“. Auf Wunsch halte sie auch Beerdigungen. Für ihren Arbeitsbereich wünschte sie sich, dass noch ein, zwei Häuser für das Service-Wohnen gebaut würden: „Platz ist da, und die Nachfrage groß.“

Nach der perspektivischen Überlegungen gefragt, nannte die Verwaltungsleiterin das Errichten eines Campus: „Service-Wohnen, Seniorenheim, Tagespflege, stationäre und Kurzzeitpflege an einem Ort, das wäre großartig.“ Leider gäbe es kaum Verbindungen zu den Nachbarn auf dem großen Grundstück, zur Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin. Erzbischof Koch versprach sich zu erkundigen, warum es so wenig Kontakt „übern Gartenzaun“ gäbe.

Gefragt, was Kerstin Hagedorn auf dem Herzen habe, wenn sie an die Atmosphäre der Einrichtung denke, wünschte sie sich, dass „wir auch in Zukunft Ordensschwestern bekommen“. Leider gerate der Versuch, in die Zukunft zu schauen, wenig optimistisch: Den Marienschwestern fehlt der Nachwuchs. Die letzte Einkleidung, die Übergabe des Ordensgewandes an eine neue Schwester, fand in Deutschland 1979 statt.
Aktuell zählt die Niederlassung der Marienschwestern in Karlshorst vier Schwestern. Die Oberin des Konvents, Schwester Walburga, ist mit 76 Jahren die Jüngste. Die Ordensfrauen erzählten dem Bischof von ihren Einsatzorten und von Erlebnissen in den Jahrzehnten ihres Dienstes in Zinnowitz, Luckenwalde, Wolgast oder Berlin-Kreuzberg.

Der Bischof erkundigte sich nach dem Tagesablauf zwischen „ora et labora“, und was sie denn in ihrer Freizeit machen würden. Die Rückfrage kam prompt: „Was ist denn Freizeit?“, und alle lachten. „Wir gehen jetzt nicht zusammen zu Union-Spielen, falls Sie das meinen. Wir verbringen unsre Zeit mit den Bewohnern, gehen mit ihnen spazieren, besuchen sie auf Station, lassen sie erzählen, hören zu, wachen bei Sterbenden. Für uns ist das ein Heimat.“

„Durchweg positiv“ würden die Bewohner auf die Frauen im Ordenskleid reagieren. Die meisten seien evangelisch, so dass die Schwestern anknüpfen könnten auf einst Vertrautes wie das „Vater unser“ oder alte Kirchenlieder. „Schön ist auch, dass wir die Kapelle haben und Pfarrer Martin Benning jeden Samstag mit uns die Heilige Messe feiert und kommt, wenn wir ihn zu einem Sterbenden rufen.“
Beim Abschied dankte der Erzbischof den Marienschwestern: „Wie Sie leben und was Sie tun ist für manche das einzige Zeichen, dass es einen guten Gott gibt.“