BZ-Kolumne

150 Jahre Christian Schreiber

In der Serie „Babylon Berlin“ nach den Romanen des Krimiautors Volker Kutscher bekommt man einen Eindruck, wie es in Berlin am Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre zuging. Schon damals als „Sünden-Babel“ bekannt und berüchtigt, war es für Zugezogene – wie Kommissar Gereon Rath, den Helden der Reihe – keinesfalls einfach, sich zu orientieren. Zu unübersichtlich waren die politischen Debatten, zu brutal die Kämpfe zwischen Kommunisten und Nazis, zwischen Staatsmacht und „organisiertem Verbrechen“. Himmelschreiend war der Unterschied zwischen arm und reich. 1930 wurde Christian Schreiber zum ersten katholischen Bischof von Berlin ernannt, in diese Situation hinein; gestern haben wir an seinen 150. Geburtstag erinnert.

Ich hatte selbst Respekt, als mir die Aufgabe angetragen wurde, Erzbischof von Berlin zu werden. Vor dem Mut meines Vorgängers, dessen neunter Nachfolger ich bin, habe ich mich gestern an seinem Grab in der Unterkirche der Sankt Hedwigs-Kathedrale verneigt. Denn er musste mit dem Aufbau von Seelsorge, Liturgie und Caritas, wie sie für ein Bistum üblich und sinnvoll sind, ganz von vorn anfangen.

Er ist mir ein Vorbild, denn ein prägender Grundzug seines Lebens war die Fähigkeit und die Bereitschaft zu lernen. Aufgewachsen in einem katholischen Umfeld, musste er schon als erster Bischof des Bistums Meißen nach dessen Wiederrichtung im Jahr 1921 neu lernen, in einer völlig anderen gesellschaftlichen Situation mit den nur etwa 180.000 Katholiken ein Bistum aufzubauen: seelsorglich, strukturell und finanziell. Umso steiler wurde die Lernkurve, als Schreiber am 13. August 1930 als Bischof in das neu errichtete Bistum Berlin in der beschrieben angespannten Lage geschickt wurde. Nur etwa drei Jahre später, am 1. September 1933, starb er nach kurzer, schwerer Krankheit.

Wenn heute im nach ihm benannten Christian-Schreiber-Haus Waisenkinder aus der Ukraine Zuflucht gefunden haben, so bin ich sicher, dass das in seinem Sinn ist. Neue Herausforderungen erfordern neue Einsichten und Entscheidungen. „Lernt von mir!“ (Mt.11,29), sagt Jesus: Tag für Tag neu und tiefer lernen, Mensch und Christ zu werden, zu sein und zu bleiben.