BZ-Kolumne

Auf digitale Berieselung verzichten

Neulich kam mir auf der Straße eine junge Mutter mit einem Kinderwagen entgegen. Sie beschäftigte sich intensiv mit ihrem Smartphone und schob den Wagen scheinbar teilnahmslos vor sich her. Das Kind selbst drückte ganz konzentriert imaginäre Tasten auf einem Holzspielzeug. Gleich nebenan im Straßencafé saß sich ein Paar gegenüber. Beide lasen versonnen die neuesten Textnachrichten und rührten dabei schweigend in ihren Tassen.

Die digitale Kommunikation durchdringt heute in nie gekannter Weise unser Leben – und verändert es gravierend. Viele argumentieren, dass die technischen Neuerungen die kommunikativen Teilhabemöglichkeiten auf ungeahnte Weise erweitern. Schaut man aber einmal darauf, was da weitergegeben wird, dürfen durchaus Zweifel an der Sinnhaftigkeit vieler Inhalte entstehen.
Die Schnelligkeit der technischen Informationsvermittlung scheint auf den ersten Blick Zeit zu sparen. Der selbst auferlegte Stress, immer Online sein zu müssen, führt jedoch zu einem Paradox, das nicht alle für sich lösen können: die Zeitersparnis führt zu weniger Zeit. Für unsere seelische Gesundheit ist aber Raum für Besinnung und innere Einkehr von großer Bedeutung. Viele Studien zeigen, dass die Abhängigkeit von Internetnutzung steigt. Dieses neue Phänomen ist eine nicht unerhebliche  „Nebenwirkung“ der Digitalisierung.

Manch einer verliert sich in der virtuellen Welt und verlernt dabei, was menschliche Beziehung ausmacht. „Lost in Space“ - verloren in einem künstlichen Raum - nennt sich deshalb ein Hilfsprojekt der Caritas in Berlin. Es weist Internetabhängigen Wege zurück ins wahre Leben und steht deren Angehörigen zur Seite.

Die Digitalisierung bietet uns vielfältige Chancen und Möglichkeiten, die wir sinnvoll nutzen können. Sie macht unser Leben einfacher. Niemand kann oder will diese Entwicklung aufhalten. Lebenssinn und Lebensqualität aber entstehen weder heute noch in der Zukunft digital. Wir selbst haben es in der Hand, einmal darüber nachzudenken, ob wir nicht ab und zu auf manches verzichten sollten. Verzichten etwa auf die permanente digitale Berieselung und stattdessen den Blick auf unser ganz reales Gegenüber richten.