BZ-Kolumne

Dankbarkeit neu erfahren

In diesen Tagen bereiten wir uns in den Kirchen auf das Erntedankfest vor. Wir tragen in Gebet und Fürbitte die Früchte der Natur und der menschlichen Arbeit vor Gott und erinnern daran, dass all das, unser Wohlstand, unsere Gesundheit, ja unser ganzes Leben nicht nur Menschenwerk ist, sondern ein Geschenk, das wir unverdient bekommen haben.

Die Corona-Krise führt uns in diesem Jahr zusätzlich vor Augen, wie gefährdet Gesundheit und Wohlstand auch hierzulande sind. Ich bin überzeugt: Nicht Wenige sind nachdenklicher geworden, demütiger und vielleicht auch dankbarer.

Was ist der Mensch, was ist eigentlich seine Größe, seine Würde, was ist sein Leben? Die Frage nach dem Leben, nach dem Lebenswerten, dem Lebensrecht und dem Lebensschutz bestimmt in vielen Bereichen die gesellschaftlichen Diskussionen im 30. Jahr der deutschen Wiedervereinigung. Und wir spüren, dass weitere enorme Herausforderungen auf uns warten: Der drohende Kollaps der Natur und die Verzweiflung der Geflüchteten und Vertriebenen werden weiter unsere ganze Aufmerksamkeit beanspruchen und berechtigte Besorgnis hervorrufen.

Können wir angesichts dieser Probleme wirklich noch dankbar sein? Können wir Erntedank feiern, wenn vielen gar nicht zum Feiern zumute ist? Ja, das können wir.
Nicht für den Umstand, dass wir hierzulande noch relativ gut weggekommen sind angesichts der globalen Krisen. Sondern im Wissen darum, dass wir Möglichkeiten haben, Probleme anzugehen und zu überwinden. Im Wissen darum, dass wir als Menschen soziale Wesen sind, die sich selbst und ihr Leben als Geschenk begreifen können. Und dass wir vielfältige Begabungen haben, die wir für Andere fruchtbringend einsetzen können.

Seien wir dankbar dafür – und nutzen wir unsere Talente, nicht nur für uns selbst, sondern auch für die Anderen. Jenen, die Angst haben oder Not leiden oder das Danken verlernt haben. Dann wird das Leben für alle schöner und lebenswerter.

Nicht der egoistische Blick nach innen macht uns reich, sondern jene Dankbarkeit, die dazu drängt, zu schenken aus der Fülle unserer Fähigkeiten. So kann der Erntedanksonntag zu einem Festtag für alle werden.