BZ-Kolumne

Eine positive Vision von Europa

Wenn ich ein Wahlplakat für die Europawahl zu gestalten gehabt hätte: Für welche Botschaft hätte ich mich entschieden? Für mehr Generationengerechtigkeit? Für einen dauerhaften Frieden? Für den weiteren Abbau von Grenzen? Für grenzüberschreitenden Mindestlohn oder einheitliche Umweltgesetze?

All diese Wünsche sind berechtigt. Es ist gut, dass wir Parteien mit entsprechenden Schwerpunkten in ihren Wahlprogrammen haben. Europas Politiker stehen in der Tat vor vielen Herausforderungen.

Als Christ hätte ich allerdings noch grundsätzlicher argumentiert: Ich hätte versucht, eine positive Vision von Europa in Worte zu fassen. Ich hätte nach der Seele Europas gefragt.

Im Neuen Testament wird geschildert, wie der christliche Glaube nach Europa gekommen ist. Der Apostel Paulus – auf Missionsreise in Kleinasien - hat eine nächtliche Vision. Ein Mann ruft ihm zu: „Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!“ (Apg 16,9) Von diesem Hilferuf sind wir Christen, die drei Viertel der europäischen Bevölkerung stellen, auch heute herausgefordert. Europa ist ein Kontinent nicht vor allem aufgrund geographischer Gegebenheiten, sondern aufgrund seiner Geschichte und Kultur. Europa ist vielfältig und bunt und birgt einen Reichtum an Sprachen, Denk- und Lebensweisen. Europa ist eine Heimat für viele. Wir Katholiken in Berlin wissen darum: jeder Vierte kommt aus einem europäischen Land und wir bekennen gemeinsam Sonntag für Sonntag den einen christlichen Glauben.

All jenen, denen der Gedanke an Europa Angst macht, die in Sorge um den Verlust der Heimat sind, die nach Abgrenzung rufen und besorgt sind wegen kultureller Überfremdung, sage ich: Heimat wächst, je mehr ich Heimat teile. Alles Große wächst im Teilen, nicht im Abgrenzen und Abschotten.

Der Begriff „Europa“ leitet sich ab von „Weitsicht“. Europa, die phönizische Königstochter, die auf dem Stier dargestellt wird, war also eine Frau mit Weitsicht.

„Lasst uns ein Europa gestalten, das mehr ist, als die Summe seiner Teile….!“ Das hätte vielleicht auf meinem Wahlplakat gestanden.