BZ-Kolumne

Mit Leid

Das Mitleid hat bei vielen einen schlechteren Ruf als die Sympathie, wer „mitleidig lächelt“ wirkt überheblich und distanziert.  Dabei ist das Wort Mit-Leiden die deutsche Übersetzung des griechischen Wortes Sym-Pathie.

Der schreckliche Unfall auf der Leipziger Straße hat bei mir echtes und tief empfundenes Mitleid ausgelöst: eine Mutter mit ihrem Kind wurden beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst, beide erlagen kurz darauf ihren schweren Verletzungen.
Bevor ich anfange über Konsequenzen nachzudenken oder gar Urteile zu fällen, will ich bei dem Mit-Leiden verweilen und das Geschehene aushalten. Und zwar nicht nur bei dem Leid der beiden Unfallopfer, auch bei dem ihrer Angehörigen und dem der Passanten, die Augenzeugen des Unfalls wurden. Auch sie leiden, sie müssen den Schrecken, den Schock, die Bilder ertragen und nach Möglichkeit verarbeiten. Denn neben den körperlichen Verletzungen tragen sie vor allem Verwundungen an ihrer Seele. Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger können das auch nicht „heilen“, aber sie können ihr Mitleid zeigen. Das geht oft ohne Worte, mit Gesten, mit vorsichtigen Berührungen, oft aber auch durch einfaches Da-Sein und Mit-Schweigen, Fragen stellen und zulassen, auf die es keine Antwort gibt.

Es gibt aber noch ein anderes Mit-Leiden, das aktiv und vorausschauend ist, das mit gegenseitiger Rücksichtnahme und Sympathie füreinander zu tun hat. Im öffentlichen Straßenraum etwa müssen wir noch viel besser aufeinander aufpassen. Nur wenn Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger füreinander Sympathie empfinden und ihre wechselseitigen Bedürfnisse ernstnehmen und akzeptieren, gibt es eine Chance, dass wir alle heil und unversehrt ankommen.
Bevor Sie über andere Verkehrsteilnehmer schimpfen: runter vom Gas, vom Pedal oder einfach mal stehen bleiben und tief durchatmen. „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen!“ (Mt 7,12), sagt Jesus. Bleiben Sie in diesem Sinne sympathisch, mitleidend, nicht nur im Straßenverkehr!