Als am Ende der Weihnachtszeit der Tannenbaum abgeräumt werden soll, verweigert sich Tante Milla dem Fortschreiten des Kalenders. Sie schreit unausgesetzt, bis Onkel Franz, ihr Gatte, nachgibt und einen neuen Tannenbaum kauft. Ab dann wird täglich und gnadenlos Weihnachten gefeiert und zwar zwei Jahre lang!
Das ist Satire. Heinrich Böll hat mit seiner Erzählung „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ dramatisch überspitzt vorgeführt, wohin es führt, wenn man alles immer zur gleichen Zeit haben will.
Mir ist die Erzählung aus den 50er Jahren wieder eingefallen, als ich schon Ende August die ersten Weihnachtsartikel im Supermarkt bei mir um die Ecke vorfand.
Ich möchte nicht all denen den Appetit verderben, die sich vor Sehnsucht verzehren nach dem ersten Weihnachtsgebäck. Ich gönne es jedem, wenn er schon jetzt seinen Heißhunger auf Spekulatius und Dominosteine stillen kann.
Aber ich möchte eine Lanze brechen für das Warten. „Alle Jahre wieder“, so heißt es in dem Weihnachtslied zu Recht, und nicht „Ich will alles, jetzt!“.
Wir können mittlerweile alles fast gleichzeitig haben. Es gibt online keinen Feierabend, irgendwo scheint immer die Sonne, irgendwo werden immer Erdbeeren angebaut, irgendwo hat bestimmt noch eine Kneipe offen, und am Ku’damm gibt es jetzt einen Laden, in dem Touristen das ganze Jahr über Weihnachtsbaum-Schmuck, Krippenfiguren und Lametta kaufen können. Aber geht es uns dadurch wirklich besser, dass wir alle Wünsche zu jeder Zeit und möglichst umgehend erfüllen können?
„Alles hat seine Zeit“, heißt es in der Bibel. Das ist ein Wort, das gut tut – auch heute noch.
Weihnachten gibt es eben nur in der Zeit, in der wir die Geburt Jesu Christi feiern. Und nur dann behält diese Zeit ihren besonderen Charakter. Sonst wird sie beliebig und Weihnachten verliert seinen eigentlichen Sinn.