BZ-Kolumne

An Einheit und Freiheit müssen wir noch bauen

Ich war sieben Jahre alt, als die Mauer gebaut wurde. Wirklich verstanden habe ich das damals nicht. Die Empörung und wütende Ohnmacht der Erwachsenen aber waren greifbar.
Klarer wurde es mir erst bei meiner Firmung. Dafür musste der Bischof  die scheinbar unüberwindliche Mauer überwinden - der Bischof, der sonst fast unerreichbar schien, weil sein Bischofssitz die St. Hedwigs-Kathedrale war.

Die Bischöfe waren, solange die Mauer stand, die einzigen Garanten für die Einheit des Bistums Berlin in einer geteilten Stadt. Alles andere gab es doppelt: die Verwaltung, den Hedwigschor und natürlich auch die Jugendarbeit: Wir konnten uns mit Ministranten aus aller Welt treffen, Gleichaltrige aus der „Hauptstadt der DDR“, aus Brandenburg oder Vorpommern blieben eine seltene Sensation.

„Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“ So stand es im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kardinal Bengsch und Kardinal Meisner haben unnachgiebig auf der Einheit des Bistums Berlin bestanden und sie gegen alle Teilungsvorschläge verteidigt;  denn für sie war die Einheit des Bistums Berlin letztlich auch ein mahnendes Zeichen für die Einheit Deutschlands. Wenn wir am Samstag in der St. Hedwigs-Kathedrale Gott für 25 Jahre Deutsche Einheit danken, danke ich auch ihnen.
Und ich danke Kardinal Sterzinsky, der am Tag des Mauerfalls in Rom seinen Antrittsbesuch bei Papst Johannes Paul II. gemacht hatte. Seine Aufgabe war nicht minder schwer: die Einheit des Bistums neu mit Leben zu erfüllen.

Jetzt heißt es im Grundgesetz: „Die Deutschen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet“. Mir gefällt das Wort „vollendet“ nicht; denn an der Einheit und der Freiheit – nicht nur für Deutschland – müssen wir immer noch weiter bauen.