Es gibt Menschen, die sammeln Todesanzeigen. Viele sind ja auch originell, persönlich gestaltet und schon von daher interessant. Darüber hinaus sagen sie aber auch etwas über die Stimmung und den „Zustand“ unserer Gesellschaft.

Ich sammle keine Todesanzeigen, aber ich schaue sie mir immer an. Zum Einen, weil ich auf diese Weise oft vom Tod eines Menschen erfahre, der mir zwar nicht nahestand, den ich aber auf die eine oder andere Weise kannte.

Zum Anderen bemerke ich jedoch auch, dass sich nach und nach etwas verändert hat: es gibt immer weniger Kreuze auf den Todesanzeigen. Gerade in den Berliner Zeitungen fällt mir dies besonders auf. Was bleibt ist nur – aber immerhin doch – das kleine Kreuz vor dem Datum des Todes und ein kleiner Stern vor dem Datum der Geburt.

Ein großes Kreuz aber fehlt zunehmend – was allerdings nicht wirklich überraschen kann; denn nicht nur hier in der Hauptstadt teilen immer weniger Menschen den Glauben an Jesus Christus als den, der eben am Kreuz den Tod überwunden hat. Und wie Menschen mit dem Tod oder mit ihren Toten umgehen, ist schließlich auch eine ganz persönliche Sache.

Trotzdem ist für mich das Fehlen der Kreuze auch Ausdruck einer schleichenden Hoffnungslosigkeit in unserer Gesellschaft, zuweilen sogar einer modischen und gepflegten Trostlosigkeit, die sich nicht nur auf die Verstorbenen, sondern auf die gesamte Zukunft bezieht: die Wegweiser unserer Kultur lassen für viele keinen Zielort mehr erkennen, und mit den Toten ist oft zugleich auch die Hoffnung gestorben.

Eben dagegen steht für mich das Kreuz – als Symbol des Lebens, nicht des Todes. Im Zeichen des Kreuzes lebt die Hoffnung auf Zukunft – auch über den Tod hinaus.

In diesem Sinn ist das christliche Totengedenken – wie z.B. an Allerheiligen oder Allerseelen in dieser Woche – letztlich nicht traurige Vergangenheitsbewältigung, sondern hoffnungsvolle Zukunftsperspektive. „Werft eure Zuversicht nicht weg“, sagt uns die Bibel. Darum wird auf meiner Todesanzeige das Kreuz nicht fehlen.