BZ-Kolumne

Brücken statt Mauern bauen

„Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“, auch wenn vermutlich niemand von uns dabei war, so haben doch viele noch heute diesen Satz von Walter Ulbricht unangenehm im Ohr. Morgen vor 60 Jahren, am 13. August 1961, zeigte sich insbesondere, dass Ulbricht vor allem niemals die Absicht hatte, die Wahrheit zu sagen.

Die Wortwahl ist historisch einzigartig, das Verfahren wird aber weiterhin angewendet:
Zunächst wird beteuert, dass man selbstverständlich an Dialog, Verständigung und Kompromiss interessiert sei, dass man aufeinander zugehen wolle, trotz unterschiedlicher Meinungen. Aber schließlich baut man doch wieder eine Mauer: grenzt sich ab, grenzt aus, diffamiert die andere Meinung oder Überzeugung. Die „Mauer in den Köpfen“ ist auch insofern ganz praktisch, weil man die anderen hinter der Mauer gar nicht mehr sieht, nichts mehr davon mitbekommt, wie es geht, wer dort eigentlich und aus welchen Gründen wie handelt.
Vor 60 Jahren wie heute brauchen wir keine Mauern, viel wichtiger und dringender sind Brücken: Brücken ebnen nicht die unterschiedlichen Positionen ein, aber sie stellen eine Verbindung her, man kann sich am anderen Ende der Brücke mal umsehen, wie dort gedacht, geglaubt und argumentiert wird, man kann aber auch wieder zurückgehen, vielleicht ein wenig nachdenklicher und einsichtiger.

Es gilt also Brücken statt Mauern zu bauen, ein Anspruch, dem sich gerade die Kirche verpflichtet weiß –darum wird auch ihr höchster Vertreter Pontifex Maximus, Oberster Brückenbauer genannt. Ob Kirche immer Brücken gebaut hat, sei dahin gestellt, aber sie hat sich das Ideal bewahrt, Menschen mit Gott und miteinander zu verbinden. Daran muss sie sich messen lassen, besonders in Zeiten, wo immer mehr Brücken eingerissen werden.

Für mich bleibt es jedenfalls ein Hoffnungszeichen, dass der Fall der Mauer am 9. November 1989 an einer Brücke begonnen hat.