BZ-Kolumne

Der „alte“ Gott lebt

Manche bezeichnen das, was heute Abend in Stadtmitte passiert, als katholische Demonstration. Und daran stimmt zumindest, dass sich auch in diesem Jahr wieder einige tausend Katholiken in der Innenstadt Berlins versammeln, um das Fest Fronleichnam zu feiern und die sogenannte Fronleichnamsprozession vom Gendarmenmarkt zur St. Hedwigs-Kathedrale zu gehen.

Nicht wenige, die zufällig dabei stehen oder mit Absicht zuschauen, werden sich darüber wundern. Andere werden sich ein bisschen wie zu Hause fühlen; denn in vielen unserer Bundes- und Nachbarländer ist eine solche Prozession gang und gäbe. Und weil der kirchliche Feiertag Fronleichnam vielerorts auch als ein staatlicher Feiertag begangen wird, ist die Zahl derer, die an dieser Prozession teilnehmen, in anderen Städten größer als hier bei uns. Vielleicht doch ein Modell für Berlin?

Aber nicht Zahlen sind ja letztlich entscheidend, sondern die Überzeugung, die Menschen, im wahrsten Sinne des Wortes, be-wegt.

Wer das Fest Fronleichnam – übersetzt: lebendiger Leib des Herrn – verstehen will, muss allerdings weit zurückgehen: nämlich bis zum Letzten Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat. Dort hat Jesus Brot und Wein genommen, seinen Segen darüber gesprochen und gesagt: „Das ist mein Leib und das ist mein Blut – für euch“.

Dann hat er dieses Brot und diesen Wein seinen Jüngern gegeben und sie aufgefordert: „Tut dies zur Erinnerung an mich“. Seitdem feiert die Katholische Kirche dieses Abendmahl sozusagen weiter. Sie tut es in der festen Überzeugung, dass Jesus Christus unter den Zeichen von Brot und Wein dabei leibhaftig gegenwärtig wird. Und einmal im Jahr trägt sie dieses leibhaftige Brot durch die Straßen unser Alltäglichkeit, um zu zeigen: Gott gehört zum Leben. Er ist so wichtig – wie das tägliche Brot.

Berlin sei eine gottlose Stadt, wird hier und da immer wieder einmal behauptet. Die Fronleichnamsprozession heute Abend ist eine Demonstration des Gegenteils: Der „alte“ Gott lebt – auch in unserer Stadt.