BZ-Kolumne

Fastenzeit – Zeit, Neues zu denken

Der Wiener Künstler Gustav Klimt erhielt von einer Baronin den Auftrag, ein Porträt von ihr zu malen. Er sagte zu, bat aber darum, an ihrem Leben teilnehmen zu dürfen, um sie so darzustellen, wie sie in ihrem Inneren ist. Äußerlich betrachtet war die Frau keine Schönheit. Ein hartes Leben hatte sie gezeichnet; sie war verbittert und depressiv. Klimt malte also das Porträt, und das Ergebnis überraschte: Denn sein Bild zeigte eine schöne Frau, kraftvoll, optimistisch, dem Leben zugewandt. Die Baronin kaufte es und hängte es in ihren Salon. Jahre später besuchte der Künstler sie und sah ein Wunder: Die Baronin hatte sich in eine Frau voller Kraft und Lebensfreude verwandelt, in die Frau, die das Bild zeigte. Der Maler hatte sie so gesehen, wie sie sein könnte. Sie hatte begonnen, diesem Entwurf immer ähnlicher zu werden.

Überall auf der Welt beginnen Christen in diesen Tagen ihre Fastenzeit. Die kommenden Wochen vor Ostern sollen dazu einladen, nicht so zu bleiben wie wir sind, sondern so zu werden, wie wir sein könnten – nach dem Bild, das Gott vom Menschen gemacht hat. Veränderung ist also angesagt.

Natürlich: uns fällt immer etwas ein, was uns dabei „entschuldigt“: die schwere Kindheit, der falsche Partner, die miserable soziale Situation. Und manches mag ja auch zutreffen. Aber trotzdem ist der Mensch nicht einfach Opfer: Opfer seiner Gene, seiner Herkunft oder der gesellschaftlichen Verhältnisse. Und niemand darf die eigene Bosheit damit rechtfertigen, dass andere ihm böse mitgespielt haben. Ich selbst entscheide letztlich, ob ich Gutes tue oder Böses.

Um dieser Verantwortung nachkommen zu können, tut es gut, ab und zu innezuhalten und nachzudenken über mein Tun und Lassen, über die Werte und was von ihnen übrig geblieben ist. Das gilt im privaten wie im öffentlichen Bereich.

Fasten bedeutet darum auch: sich neu auszurichten, nicht an unser Realität, sondern an unseren Möglichkeiten. Und solche Neuorientierung lohnt sich; denn sie hilft, dem Bild ähnlicher zu werden, das Gott sich von uns macht.