BZ-Kolumne

Gegen Touristen und den Papst. Wo bleibt die Berliner Toleranz?

In Kreuzberg sollen Touristen mit Sprüchen wie „Berlin liebt dich nicht“ abgeschreckt werden. In Prenzlauer Berg sind die Schwaben unerwünscht. In Friedrichshain und den Villenvierteln von Westend gehen Autos von „Besserverdienenden“ in Flammen auf. Kinderwagen brennen in Hausfluren des sozialen Wohnungsbaus. Und Papstgegner machen mobil gegen dessen Besuch in der deutschen Hauptstadt.

Wo ist sie geblieben, die berühmte Berliner Toleranz? Gilt sie nur gegenüber Menschen und Lebensmodellen, die man selbst gut findet und daher ertragen kann? Ich habe den Eindruck: Toleranz wird dann lautstark eingefordert, wenn die eigenen Überzeugungen angegriffen werden.

Die Haltung der Toleranz gehört zu den Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates, ohne Toleranz können wir nicht zusammenleben. Toleranz schützt Minderheiten vor Repression durch die Mehrheitsgesellschaft, ist also eine Grundbedingung für Humanität.

Toleranz bedeutet aber nicht, auf den eigenen Standpunkt zu verzichten und alles für gleich gültig zu halten. Zur Toleranz gehört es auch zu widersprechen, sich zu streiten und zurechtzuweisen. Und zur Toleranz gehört auch Widerspruch gegen Intoleranz.

Ein toleranter Mensch ist bemüht, Vorurteile abzubauen und rücksichtsvoll mit den Grenzen des anderen umzugehen. Er brüllt Andersdenkende nicht nieder, sondern mutet ihnen zu, mit ihm in Dialog zu treten - weil er sie in ihrer Menschenwürde respektiert. Prüfstein für diese Gesinnung sind Situationen, in denen – unbeschadet gegenteiliger Auffassungen – gemeinsam gehandelt werden muss: zum Wohle der Stadt Berlin, ihrer Bewohner und ihrer Besucher.