BZ-Kolumne

Plädoyer für eine „chancengerechte Gesellschaft“

Die derzeit gute Wirtschaftslage verdeckt die soziale Kluft in Deutschland. Ob Kinderarmut oder Pflegenotstand, ob schlechte Arbeitsmarktchancen für behinderte Menschen, ob Benachteiligung von Migranten in Beruf und Ausbildung oder eine drohende   „Zweiklassenmedizin“ – es besteht sozialpolitischer Handlungsbedarf.

Angesichts solcher Befunde haben sich die katholischen Bischöfe in Deutschland mit einem Sozialwort zur Wort gemeldet. Darin geht es um eine „chancengerechte Gesellschaft“. Obwohl Deutschland gut durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen ist, haben viele Bürger den Eindruck, es gehe nicht gerecht zu im Lande. Weit verbreitet ist das Gefühl, eine freie Gesellschaft wie die unsere bringe zu viele Verlierer aber nur wenige Gewinner hervor.

Diese Sorgen und Verunsicherungen, seien sie nun begründet oder lediglich „gefühlt“, sind ernst zu nehmen. Fatal wäre es, wenn in der Debatte um eine gerechte Gesellschaft die Werte „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“ gegeneinander ausgespielt würden. Im Zentrum aller Bemühungen um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft muss darum die Sorge um den Menschen und seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben stehen.

Das Leitbild dafür ist eine „chancengerechte Gesellschaft“, die jeden Möglichkeiten eröffnet, sich  zu entfalten. Dazu braucht der Einzelne den Mut zur Freiheit in Verantwortung und die Gesellschaft den Willen zur Solidarität.

Die Chancengerechtigkeit, die das Sozialwort fordert, soll die christliche Idee der Freiheit wieder zur Geltung bringen und dabei den Sozialstaat stärken. Denn erst wenn niemand mehr fürchten muss, an den Rand gedrängt zu werden, wird die zunehmende Differenzierung der Gesellschaft den Zusammenhalt aller ihrer Bürger nicht gefährden. Freiheit und Gerechtigkeit sind Grundbegriffe des Christentums. Sie müssen moralisch wie sozialpolitisch neu „durchbuchstabiert“ werden.