BZ-Kolumne

Wer ist der Mann auf dem Tuch?

Es ist der 28. Mai 1898. Im Halbdunkel der sogenannten Grabtuchkapelle des Turiner Doms plagt sich ein Mann mit einer unhandlichen Fotoausrüstung. Es ist der Anwalt Secondo Pia, der ein Grabtuch, ein Stück Leinen, ablichten soll. Die Konturen des Gesichts sowie andere Merkmale, die auf dem Negativ seines Fotos erscheinen, geben den Anstoß für eine einzigartige Grabtuchforschung, die sich heute auch der Methoden der forensischen Anthropologie bedient – fast wie in der Fernsehserie CSI.

„Wer ist der Mann auf dem Tuch?“ – Die Spur des Turiner Grabtuchs zu verfolgen, ist Stoff für einen hollywoodreifen Krimi. Wahrscheinlich gelangte das Tuch schon frühzeitig von Jerusalem nach Mesopotamien. Im 10. Jahrhundert taucht es in Konstantinopel auf. Kreuzritter verschleppen es nach Frankreich. Beim Brand der Kathedrale von Chambéry wird das Tuch – wie durch ein Wunder – gerettet.
Die Herzöge von Savoyen kaufen dann jenes Tuch, das schon damals – wegen seiner zahlreichen Übereinstimmungen – von vielen als das Grabtuch Jesu Christi verehrt wurde. In Turin schließlich endet dessen abenteuerliche Reise.

„Wer ist der Mann auf dem Tuch?“ – Dieser spannenden Frage stellt sich jetzt auch eine in Berlin-Charlottenburg präsentierte Ausstellung zum Turiner Grabtuch. Konzipiert wurde die Ausstellung, um die Besucher auf eine Spurensuche mitzunehmen. Gezeigt werden die originalgetreue Nachbildung des Turiner Grabtuchs sowie ein Kunststoffkörper, der aus der 3D-Betrachtung der Spuren auf dem Tuch gefertigt wurde. Weitere Ausstellungsstücke wie eine Dornenhaube oder Nägel, wie sie bei Kreuzigungen verwendet wurden, sollen zum Nachdenken anregen.

Wenn auch die Echtheit jenes Tuches nicht bewiesen werden kann – für mich bleibt es ein außergewöhnlicher Verweis auf die Anfänge der christlichen Religion und auf ihren gekreuzigten und auferstandenen Stifter. Prädikat: empfehlenswert.