50 Jahre nach GAUDIUM ET SPES hat es die Freude wieder in den Titel eines päpstlichen Schreibens geschafft. AMORIS LAETITIA ist ein Schreiben, das uns mitreißt in einen „Tanz auf die Hoffnung zu, die Augen voller Staunen“. Dieser Tanz, so Papst Franziskus, „darf nicht zum Stillstand kommen“ (Nr. 219). Die Freude des Papstes steckt an.
Das Schreiben verstehe ich als eine große Einladung an die Kirche vor Ort, uns noch mehr zu engagieren für Ehe und Familie, in der Ehevorbereitung, in der Begleitung von Eheleuten, aber auch in der Zuwendung zu wiederverheiratet Geschiedenen und Alleinerziehenden.
Wenn der Heilige Vater ein ganzes Kapitel der „Erziehung der Kinder“ (Kap. 7) widmet, bestärkt es unsere Anstrengungen in der ganz praktischen Unterstützung der Eltern in ihrem Erziehungsauftrag, sei es im Leben der Gemeinden, in Elternkursen wie „kess-erziehen“, aber auch in Kita, Schule und Religionsunterricht, und in der Sexualerziehung (Nr. 274-279).
Papst Franziskus ist in seinem nachsynodalen apostolischen Schreiben weder idealisierend in der Wahrnehmung und Beurteilung der Wirklichkeit noch doktrinär oder ängstlich-abwehrend im Ton. Er sieht kein Hindernis, dass „verschiedene Aspekte der Lehre oder einiger Schlussfolgerungen, (…), weiterbestehen, im Gegenteil „können in jedem Land oder jeder Region besser inkulturierte Lösungen gesucht werden, welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen“ (Nr. 3).
Begeisternd legt er die katholische Glaubensüberzeugung von Ehe und Familie dar, in der Mann und Frau ein Leben lang die Treue versprechen in der Offenheit, Kindern das Leben zu schenken.
Wir sehen uns mit dem, was wir als Ortskirche von Berlin tun, einerseits bestätigt, zugleich wollen wir mit dem Heiligen Vater „demütig und realistisch anerkennen, dass unsere Weise, die christlichen Überzeugungen zu vermitteln, und die Art, die Menschen zu behandeln, manchmal dazu beigetragen haben, das zu provozieren, was wir heute beklagen.“ (Nr. 36)
Ich kann verstehen, wenn es auch im Erzbistum Berlin Menschen gibt, die sich mehr erwartet hatten in Bezug auf wiederverheiratet Geschiedene, auf konfessionsverschiedene Ehen aber auch auf gleichgeschlechtliche Paare, und die jetzt enttäuscht sind. Mit Blick auf die „Geschiedenen in neuer Verbindung“ unterstreicht Papst Franziskus, dass „sie immer Teil der kirchlichen Communio“ sind (Nr. 243).
Gleichzeitig werden andere schwere Bedenken äußern gegen die von Papst Franziskus angedeutete Möglichkeit einer Zulassung von Geschiedenen Wiederverheirateten unter bestimmten Voraussetzungen zu den Sakramenten (vgl. Fußnoten 336, 351!).
Papst Franziskus weist jede „kalte Schreibtisch-Moral“ zurück und beschreibt jede Pastoral als „barmherzige Liebe“, die „immer geneigt ist zu verstehen, zu verzeihen, zu begleiten, zu hoffen und vor allem einzugliedern“ (Nr. 312). Das soll unser Maßstab sein für unser pastorales Wirken als Ortskirche von Berlin.
Papst Franziskus betont, dass „man von der Synode oder von diesem Schreiben keine neue, auf alle Fälle anzuwendende generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art erwarten durfte“, vielmehr spricht er von einem „Weg der Begleitung und der Unterscheidung“, die „niemals von den Erfordernissen der Wahrheit und der Liebe des Evangeliums, die die Kirche vorlegt, absehen können“ (Nr. 300). Dieser Weg wird bedeutet für uns als Ortskirche von Berlin eine hohe Verantwortung und Sensibilität.
Papst Franziskus lässt uns teilhaben an seinem umfassenden Blick in unterschiedlichste familiäre Situationen auf der ganzen Welt. In der deutschen „Hauptstadt der Singles“ zeigt AMORIS LAETITIA wie groß und weit Familie gedacht, gelebt und geglaubt werden kann (Nr. 187ff), es verweist uns aber auch auf Wirklichkeiten, die uns hierzulande häufig begegnen, wie konfessions- oder religionsverschiedene Ehen (Nr. 247f) oder Ehen, in denen einer der Partner sich als ungläubig bezeichnet (Nr. 228). Er schildert die Situation von Migranten und die besonderen pastoralen Anforderungen (Nr. 46) aber auch von alten Menschen (Nr. 48).
Der Papst selbst wünscht sich, AMORIS LAETITIA „Abschnitt für Abschnitt geduldig (zu) vertiefen“ (Nr. 7). Das wollen und werden wir tun, nicht nur aber besonders im Jahr der Barmherzigkeit.
Denn AMORIS LAETITIA ist zuallererst ein tiefes begeistertes und begeisterndes Glaubenszeugnis.