Pater Manfred Kollig auf Radio Vatikan:
„Das Berliner Neutralitätsgesetz ist so, wie es ist, gut“: In der Debatte um eine Lehrerin in Berlin und das Tragen von christlichen Symbolen als Ausdruck des eigenen Glaubens ergreift der Generalvikar des Erzbistums Berlin differenzierend das Wort.
In Berlin debattiert man einen Fall, bei dem einer Lehrerin verboten wurde, ein Kreuz als Zeichen ihres Glaubens bei der Arbeit zu tragen. Es sei zu groß und nicht mehr bloß Schmuck. Jetzt trägt sie ein Fisch-Symbol, Zeichen der frühen Christen für ihren Glauben. Eine Sprecherin der Berliner Bildungsverwaltung sagte Berliner Medien, dass die Lehrerin auch dieses Symbol abnehmen müsse, so es sich um ein religiöses Symbol handle. Grundlage für diese Entscheidungen ist das so genannte Neutralitätsgesetz, das die rot-grüne Koalition 2005 verabschiedet hatte und das jetzt in die Debatte gekommen ist.
Neutralitätsgesetz, Kreuz und Fisch
Er jedenfalls sei nicht dafür, dass das Berliner Neutralitätsgesetz geändert würde, sagt Generalvikar Pater Manfred Kollig im Gespräch mit Radio Vatikan. Ihm sei es wichtig, das Anliegen des Gesetzes von 2005 zu verstehen. „Menschen dürfen nicht den Eindruck haben, sie würden benachteiligt, weil sie eine andere Überzeugung vertreten, oder sie würden manipuliert“, nennt Pater Manfred eines der Anliegen. „Dieses Anliegen muss man hochhalten und verteidigen.“
Es gehe noch lange nicht um die Frage, ob das Gesetz geändert werden müsse, „ich persönlich sage ganz klar, das Gesetz von 2005 zur Auslegung des Artikels 29 der Landesverfassung ist so, wie es ist, gut. Die Frage ist, wie wir damit umgehen und wie wir es auslegen.“ Im Fall von Konflikten, etwa bei Justiz oder Polizei oder bei Bewertungen wie etwa in der Schule, dürfe auf keinen Fall der Eindruck entstehen, es könne zu Benachteiligungen auf Grund von Glauben oder Überzeugungen kommen.
Wie viel Neutralität tut gut?
„Ich wünsche mir, dass wir öffentlich darüber debattieren, wie viel Neutralität uns gut tut, hier in der Stadt und im Land Berlin, aber es könnte auch ein guter Beitrag sein zur Diskussion, die ja weit über Berlin hinaus geht“, zieht Pater Manfred einen weiteren Bogen. Es gehe nicht nur um die Botschaft, also um den Träger etwa eines Kreuzes, sondern auch darum, wie das auf andere wirke. Aus der Vergangenheit und den 70er Jahren zitiert Pater Manfred die Sitte von Lehrern, Partei-Aufkleber auf den Taschen zu haben und ihre politische Gesinnung öffentlich zu machen - ganz und gar nicht neutral. Das wünsche er sich nicht zurück, als Schüler hoffte man ganz natürlich auf Bevorzugung, wenn man selber auch so einen Aufkleber gehabt habe. Das sei Manipulation.
„Wenn ich in einem Konflikt bin und mich eh schon unterlegen fühle, habe ich immer schon den Verdacht, dass der andere, der eine andere Überzeugung zeigt, mich jetzt benachteiligen wird; man werde also nicht mehr gerecht behandelt. Mein Wunsch hier ist, zu schauen, wo Neutralität sinnvoll ist.“
Das andere Extrem dürfe dabei aber auch nicht aus dem Blick geraten, nämlich eine „gefährliche Neutralität“: „Wo verbannen wir Überzeugungen nur noch ins Private und kommen dadurch auch gar nicht mehr über unsere Überzeugungen ins Gespräch, über das, was uns wertvoll ist und unser Denken und Fühlen und Reden prägt.“
Die Religiosität des Symbols Kreuz
Pater Manfred wirbt ausdrücklich für den christlichen Gehalt des Symbols Kreuz: Für Christen sei es Zeichen des Heils, nicht Statussymbol oder Zeichen „um auszudrücken, wer hier bei uns im Land das Sagen hat“. Natürlich stehe es auch für die Grundlage der Werte unserer Gesellschaft: „Man kann nicht einfach sagen, dass in unserer Geschichte jede Religion gleich wichtig ist“. Pater Manfred nennt zum Beispiel die Unantastbarkeit der menschlichen Würde, das entspreche dem christlichen Menschenbild, „von daher hat natürlich das Symbol des Kreuzes für uns eine ganz wichtige Bedeutung.“
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Pater Manfred Kollig gegnüber KNA zum Neutralitätsgesetz des Landes Berlin:
"Das Neutralitätsgesetz nur erneut auf dem Rechtsweg zu überprüfen, wäre zu wenig. Wir brauchen eine breite Debatte über Neutralität in weltanschaulichen, politischen und religiösen Angelegenheiten. Wir werden mitwirken an einer Verständigung über religiöse wie weltanschauliche und politische Überzeugungen. Wir wollen nicht nur über Kreuz und Kopftuch reden sondern auch über Symbole anderer Interessengruppen und weltanschaulichen Bekenntnisse. Wir werden uns als katholische Kirche an dieser Debatte beteiligen. Schon der Begriff Neutralität selbst wird laizistisch anders verstanden als so, wie er im Grundgesetz steht. Wir beteiligen uns an dieser Debatte."
Berlin (KNA) Nach dem Verzicht des Berliner Senats auf juristische Schritte gegen das Kopftuch-Urteil des Landesarbeitsgerichts drängen die beiden großen Kirchen auf eine Änderung des Neutralitätsgesetzes. Es nur auf dem Rechtsweg zu überprüfen, wäre zu wenig, sagte am Donnerstag der Generalvikar des Erzbistums Berlin, Manfred Kollig. Konsistorialpräsident Jörg Antoine von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) nannte die Berliner Regelung verfassungswidrig.
Kollig forderte eine breite Debatte über das Thema Neutralität. Er hob die Bereitschaft der katholischen Kirche hervor, an einer Verständigung über religiöse wie weltanschauliche und politische Überzeugungen mitzuwirken. "Wir wollen nicht nur über Kreuz und Kopftuch reden, sondern auch über Symbole anderer Interessengruppen und weltanschaulichen Bekenntnisse", so der Verwaltungschef des Erzbistums. Schon der Begriff Neutralität werde aus laizistischer Sicht anders verstanden als im Sinne des Grundgesetzes.
Antoine plädierte dafür, Lehrkräften das Tragen religiöser Symbole zu erlauben, wenn dadurch der Schulfrieden nicht konkret gefährdet werde. Dabei müsse klar sein, dass es nur persönliche Bekenntnisse sein könnten, die nicht die Haltung des Staates ausdrückten, so der EKBO-Chefjurist. Die Schule dürfe aber nicht der Ort sein, "wo die religiös-weltanschauliche Pluralität der Gesellschaft ignoriert und das Bild der atheistischen Einheitsgesellschaft als Maßstab gesetzt wird".
Am Mittwoch hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) bekannt gegeben, dass das Land Berlin gegen das vor drei Monaten ergangene Urteil keine Revision einlegen wird. Damit wird die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg rechtskräftig, das einer abgelehnten muslimischen Lehramtsbewerberin mit Kopftuch bei einer Entschädigungsklage recht gegeben hatte. Das Land Berlin muss ihr nun wegen beruflicher Benachteiligung rund 8.700 Euro zahlen.
Antoine erklärte, eine Offenheit und Gelassenheit im Umgang mit religiösen Symbolen hätte die Chance, "dass die vorgelebte Toleranz und Gelassenheit auch bei den Schülerinnen und Schülern Eindruck macht". Er erinnerte daran, dass vor einigen Wochen ein jüdischer Schüler mit Kippa in einer Berliner Schule "massiv gemobbt wurde". Wörtlich sagte der Konsistorialpräsident: "Offensichtlich ist das bisherige absolute Verbot religiöser Symbole nicht der Königsweg zu mehr Toleranz."
Das Neutralitätsgesetz hatte die damalige Berliner Koalition von SPD und Linkspartei/PDS im Jahr 2005 verabschiedet. Die seit vergangenem Jahr regierende rot-rot-grüne Koalition ist in der Bewertung des Urteils uneins. Grüne und Linke sehen im Unterschied zur SPD einen Änderungsbedarf.