Am Freitag, 29. Januar 2021, stellten die Rechtsanwältin Sabine Wildfeuer und der Rechtsanwalt Prof. Dr. Peter-Andreas Brand der Kanzlei REDEKER SELLNER DAHS das Gutachten „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich des Erzbistums Berlin seit 1946“ vor. Im Mittelpunkt standen die „Zusammenfassung der Erkenntnisse aus den Akten“ sowie die „Empfehlungen“ der Anwälte aus dem Gutachten.
Das Gutachten war vom Erzbistum Berlin im November 2018 im Anschluss an die Veröffentlichungen der sog. „MHG-Studie“ beauftragt worden. Es behandelt die im Erzbistum Berlin aktenkundigen Vorwürfe gegen Kleriker zwischen 1946 und 2020. Dabei handelt es sich überwiegend um im (Erz-)Bistum inkardinierte Priester, teilweise auch um Ordenspriester, die im Bereich des (Erz-)Bistums tätig waren. In diesem Zeitraum sind bisher insgesamt gegen 61 Beschuldigte Vorwürfe im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch aktenkundig geworden.
Das Gutachten stellt nicht den Abschluss der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Berlin dar, sondern soll dazu beitragen, aus den Erkenntnissen über die Vergangenheit weitere Schlussfolgerungen für den zukünftigen Umgang mit sexuellem Kindesmissbrauch im Bereich der katholischen Kirche zu ziehen und erkannte strukturelle Defizite zu minimieren. Das Gutachten wird darüber hinaus Anlass dafür sein zu erforschen, ob es über die bisher bekannten Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern und Schutzbefohlenen im Bereich des Erzbistums Berlin weitere Fälle gibt, die bisher nicht aktenkundig geworden sind.
Der Teil C des Gutachtens, „Zusammenfassender Inhalt der Personalakten beschuldigter Kleriker im (Erz-)Bistum Berlin seit 1946 in zeitlicher Reihenfolge der Zeiträume der Beschuldigungen“, der neben der Darstellung der konkreten Beschuldigungen auch die personenbezogenen Daten der Beschuldigten enthält und zudem möglicherweise auch Rückschlüsse auf die Identität der im Gutachten anonymisierten Betroffenen zulassen könnte, wird aus Gründen des Persönlichkeitsrechtsschutzes, der Gefahr der Retraumatisierung der Betroffenen und um eine voyeuristische Darstellung zu vermeiden, nicht veröffentlicht. Er dient der Fortführung der innerkirchlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen im Erzbistum.
Dafür hat das Erzbistum Berlin eine „Gutachten-Kommission“ einberufen.
Entsandt vom Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin sind in die „Gutachten-Kommission“:
- Johanna Jungbluth, Mitglied im Berliner BDKJ-Vorstand
- Kristin Wedekind
- Daniel Schade.
Entsandt vom Priesterrat im Erzbistum Berlin sind:
- Msgr. Winfried Onizazuk, Pfarrer von St. Mauritius im Pastoralen Raum Berlin Friedrichshain-Lichtenberg
- Martin Kalinowski, Pfarrer von Heilige Drei Könige Nord-Neukölln
- Domvikar Matthias Goy, Regens, zuständig für Aus- und Fortbildung.
„Die Kommission ist frei in ihrer Arbeit und lediglich der Vertraulichkeit im Sinne des Datenschutzes verpflichtet“, so Generalvikar Pater Manfred Kollig SSCC. „Ihre Aufgabe ist es, zu bewerten, wo vertuscht, vernachlässigt, verschleppt oder nicht ordnungsgemäß gehandelt wurde, und mögliche Konsequenzen zu benennen. Neben der Aufarbeitung der Vergangenheit wird es um Vereinbarungen für die Zukunft gehen. Wenn die Gutachten-Kommission zu einem Ergebnis kommt und der Erzbischof unter Berücksichtigung dieses Ergebnisses Entscheidungen getroffen hat, werden wir diese vorstellen und gemeinsam kommunizieren. Die Ergebnisse stehen dann auch der unabhängigen Aufarbeitungskommission zur Verfügung.“
Derzeit entstehen – gemäß dem Beschluss der Deutschen Bischofskonferenz – eine unabhängige Aufarbeitungskommission sowie ein Betroffenenbeirat, gemeinsam mit den Bistümern Dresden-Meißen, Görlitz und der Katholischen Militärseelsorge.
Erzbischof Dr. Heiner Koch bekräftigt in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit weiterer Aufarbeitung: „Bei all dem geht es vorrangig um die Betroffenen. Ihr Leid können wir nicht rückgängig machen. Die Aufarbeitung der Fälle ist der Teil, den wir beitragen können, um ihr Leid anzuerkennen sowie in der Zukunft die Risiken des sexuellen Missbrauchs zu minimieren. Nicht nur die Betroffenen, sondern viele Menschen haben das Vertrauen gegenüber der katholischen Kirche verloren. Vertrauen wiederzugewinnen durch ehrliches, transparentes und offenes Aufarbeiten und das Ziehen von Konsequenzen, ist auch ein Ziel der Auswertung des jetzt vorgelegten Gutachtens.“
Für Betroffene steht als Ansprechperson für Hinweise auf sexuellen Missbrauch die Beauftragte für Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen durch Kleriker, Ordensangehörige oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, Sigrid Richter-Unger, zur Verfügung.
Tel.: (030) 84 10 74 71
mobil: 0176/30613423
Richter-Unger(ät)kirchliche-aufarbeitung.de
Eine männliche Ansprechperson wird Betroffenen über Frau Richter-Unger vermittelt.
Die Vorstellung des Gutachtens im Tagungszentrum Katholische Akademie in Berlin ist im Anschluss auch über Youtube abrufbar.