Predigt des Erzbischofs von Breslau Józef Kupny

am 5. November 2018

In den Gesprächen mit seinen Schülern hat Jesus auch schwierige Themen nicht vermieden. Er sprach offen über die Verfolgungen, die auf seine Schüler zukommen werden. Um die Angst der Schüler vor Verfolgungen zu lindern, versprach Jesus ihnen die Hilfe des Heiligen Geistes, gesandt vom himmlischen Vater.

Das Wirken des Heiligen Geistes hat die Schüler von Jesus in fortdauernden Verfolgungen gestärkt und gleichzeitig – entgegen der menschlichen Logik –, das Gute aus dem Übel der Verfolgungen entstehen lassen, und so zur dynamischen Verbreitung der Frohen Botschaft in der damaligen Welt beigetragen.
Wenn wir das Buch der Apostelgeschichte aufschlagen, werden wir sofort erfahren, unter welchen schwie-rigen Umständen die Apostel zur ersten Mission ihres Lebens aufgebrochen sind.

Die Verfolgung zwang die Apostel, zuerst Jerusalem und danach Palästina zu verlassen. Dadurch erreichte die Botschaft vom Evangelium auch die Heiden. Auf diese Weise wurde die Kirche geboren.
Als die Apostel vor den Verfolgungen geflohen sind, haben sie nicht gewusst, dass Gott aus dem Übel, das ihnen widerfuhr, etwas Gutes hervorbringen wird. Erst später haben die Apostel das verstanden.
Jesus hat seinen Schülern kein friedliches, erfolgreiches und kein glückliches Leben versprochen.

Heutzutage macht jeder, der andere Leute gewinnen oder von seiner Person überzeugen will, viele falsche Versprechungen. Demgegenüber gab Jesus seinen Nachfolgern nur ein Versprechen: wenn sie auf Jesus vertrauen, wird er sie von der Angst befreien, so dass sie keine Angst mehr haben werden …
Was Jesus verspricht, das hält er auch. Dies beweisen vor allem die Lebensgeschichten von vielen Hei¬ligen und Seligen und von denjenigen, die heute noch aktuell verfolgt werden. Das beweist auch das Leben des seligen Bernhard Lichtenberg, dessen wir in der heutigen Liturgie gedenken.

Bernhard Lichtenberg wurde in Ohlau (pl. Oława) in der Nähe von Breslau geboren. Er war ein eifriger Prie-ster, für den der einzige Führer Jesus Christus war. Das hat er mehrmals wiederholt und betont.
Wir wissen nicht genau und können nur vermuten, was Bernhard Lichtenberg dachte, als er verhaftet, verhört und schließlich zum Gefängnis verurteilt wurde. Aber wir sind davon überzeugt, dass Gott ihm die Angst nahm.

Als Bernhard Lichtenberg von den Nazis verhört wurde, äußerte er sich klar und deutlich, dass er immer in Übereinstimmung mit seinem Gewissen handeln wird, vor allem dann, wenn der Staat solche Vor¬schriften erteilen würde, die den Lehren von Jesus widersprechen und dadurch seinem Gewissen entgegenstehen. Er sagte auch: »Ich bin bereit, alle Konsequenzen, die sich aus dieser Haltung ergeben, zu tragen.«

Wenn man diese Worte hört, kann man sich fragen: Wie oft hat uns die Angst gelähmt? Wie viele gute Taten blieben ungetan, weil wir Angst hatten, dass wir von unseren Verwandten oder Freunden falsch verstanden und abgelehnt würden? Wie viele richtige Entscheidungen wurden von uns nicht getroffen, weil wir Angst davor hatten, wie andere reagieren und wie sie uns dann beurteilen würden? Gott nimmt uns die Angst und der selige Bernhard erinnert uns heute daran.

Jesus, der über die Verfolgungen sprach, verkündete eine wirksame Hilfe. Das ist das vom Heiligen Geist inspirierte Wort Gottes. Es ist erstaunlich, wie das Böse in jedem Zeitalter große Angst vor dem Wort Gottes hat. Das Böse bekämpft das Wort Gottes und versucht, unaufhörlich das Wort zu übertönen und seine Bedeutung damit zu schwächen.

Aus dem Urteil gegen Bernhard Lichtenberg können wir erfahren, dass er »wegen Missbrauchs der Kanzel« verurteilt wurde. Er war schuldig, weil er in die Berliner Kathedrale Menschen einlud, um für die Verfolgten und Häftlinge der Konzentrationslager zu beten; weil er sagte, dass man den Bedürftigen unabhängig von der Nationalität, Religion oder Rasse helfen soll; weil er den Nationalsozialismus kritisierte. Das Böse hat Angst und wird immer Angst haben vor dem Wort – besonders vor dem Wort Gottes – dem Evangelium.

Wir leben in einer Zeit, in der das Wort an Kraft und Bedeutung verloren hat. Wir haben zwar die gute Absicht zu handeln, betrachten aber das Wort Gottes dabei als ein zu schwaches Werkzeug der Evange-lisation. Wenn wir uns um die Evangelisierung bemühen, fragen wir uns oft, ob wir über angemessene Mittel verfügen. Wir beginnen mit der Entwicklung von Finanzprogrammen, wir planen sorgfältig unsere Handlungen, als ob wir nicht daran glauben würden, dass dieses Wort nicht von uns, sondern vom Heiligen Geist wirksam gemacht wird. Der Heilige Geist weht, wo er will, und überschreitet jegliche Grenzen.

Laßt uns bedenken, dass das Wort Gottes wirksam ist, nicht weil wir entsprechend ausgebildet sind. Seine Kraft liegt nicht in unserer Weisheit. Das Wort Gottes wird wirksamer, wenn wir mehr an seine Kraft glauben als an unsere Fähigkeiten. Dann wird es ein Wort sein, dem kein Übel standhalten kann.
Der selige Bernhard Lichtenberg war ein großer Freund von Jesus. Von ihm bekam er die Kraft zum Kampf gegen das Böse. Wir sollten wie der selige Bernhard Gottes Freunde und Zeugen des Glaubens sein. Laßt uns an die Kraft des Heiligen Geistes glauben, denn nur dann werden wir mit Frieden im Herzen sagen können: »Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir.« (Ps 23,4)