"Das Wort"
am 15. Oktober 2023 auf Radio Berlin 88.8
„Die Diener gingen auf die Straßen hinaus und holten alle zusammen, die sie trafen, Böse und Gute.“ (Mt 22,10)
Krieg, Gewalt und Hass. Die täglichen Bilder erschüttern mich. Die Lage in Israel und Palästina bewegt mich sehr. Ich merke, wie meine Sorge vor einem Flächenbrand wächst.
Die heutigen Lesungen scheinen im Kontrast dazu zu stehen: Wir hören von einem Hochzeitsmahl. Es ist eine Vision: Das Himmelreich ist wie ein Hochzeitsmahl, wie ein Festmahl mit erlesenen Speisen und Wein im Überfluss. Jede Träne wird abgetrocknet, alle Grenzen sind aufgehoben, sogar die des Todes. (vgl. Jes. 25, 6-8) Im Matthäusevangelium greift Jesus dieses alte Bild auf und erzählt ein Gleichnis: Ein König lädt zur Hochzeit seines Sohnes ein, ein großes rauschendes Fest soll es werden; alles ist vorbereitet.
Doch: Die Eingeladenen entschuldigen sich: Alle! Sie müssen dringenden Geschäften nachgehen, haben viel zu viel zu tun und werden sogar handgreiflich gegenüber den Boten des Königs. Die Eingeladenen kommen nicht aus ihrem Alltag heraus, manche auch nicht aus den Spiralen von Macht und Gewalt.
Der König schickt daraufhin seine Diener noch einmal hinaus und sie „gingen auf die Straßen und holten alle zusammen, die sie trafen, Böse und Gute.“ (Mt 22,10)
Eine ungewöhnliche Hochzeitsgesellschaft kommt so zusammen. In der erzählten Geschichte von einem königlichen Hochzeitsmahl drängen sich Parallelen zu den anhaltenden Sorgen im Nahen Osten auf. Die Vision eines Festmahls, in dem jede Träne getrocknet wird und alle Grenzen verschwinden, erinnert uns daran, wie sehr sich die Menschen in dieser konfliktgeplagten Region nach Frieden und Versöhnung sehnen.
Während die Geschichte des Königs, der seine Gäste vergeblich einlädt, Parallelen zu den vielen erfolglosen Friedensbemühungen ziehen lässt, erinnert uns die ungewöhnliche Hochzeitsgesellschaft, die schließlich zusammenkommt, daran, dass Gott alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Glauben, einlädt.
Und es ist noch mehr: Jesus Christus will in seiner Botschaft vom kommenden Gottesreich genau die Muster von Macht und Gewalt durchbrechen und den Blick weiten auf eine andere Wirklichkeit von Frieden, Gerechtigkeit, Feindesliebe und Versöhnung.
In diesen Zeiten der Unsicherheiten und des Konflikts nicht nur im Nahen Osten können wir uns fragen, ob wir uns in unserem eigenen Leben unterbrechen lassen, um die drängenden Fragen nach Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung zu stellen. Was können wir tun, um der Vorstellung des schon beginnenden Hochzeitsmahls ein wenig näher zu kommen? Was kann jeder Einzelne von uns dazu beitragen, dass die Erde ein friedlicher Ort ist, auf dem wir gerne in Gemeinschaft mit unseren Mitbrüdern und Mitschwestern leben? Von meiner Hoffnung will ich nicht ablassen, dass es eine friedvolle und gerechte Welt gibt.
Ihnen allen wünsche ich einen besinnlichen Sonntag.
Christopher Maaß
Kirchlicher Organisationsberater im Erzbistum Berlin