„Unsere Patienten wissen das, in der Karwoche bleibt die Praxis geschlossen, da machen mein Mann und ich Exerzitien“. Mich hat diese klare Aussage einer Ärztin sehr beeindruckt. Für mich ist das ein Glaubensbekenntnis ohne Worte, ohne Taten, ein Glaubensbekenntnis allein durch Abwesenheit.
Ich gehe davon aus, dass die Patienten das nicht nur wissen sondern auch verstehen: Mein Beruf, meine Arbeit, ist mir wichtig, gerade wenn ich als Ärztin Menschen helfen, Schmerzen lindern und Krankheiten heilen kann. Aber: es gibt etwas, das mir – wenigstens für eine Woche im Jahr – noch wichtiger ist: Ich nehme mir Zeit für Gott, Zeit für meinen Glauben.
Zeit für Gott. Das ist das Abendgebet mit den Kindern, das ist der Besuch des Gottesdienstes, das ist jedes Stoßgebet und jedes Innehalten. Das ist für mich als Priester und Bischof das tägliche Stundengebet – von der Laudes über die Vesper bis zur Komplet – so wie wir es von den Klöstern übernommen haben.
Zeit für Gott. Das ist aber auch Zeit für Exerzitien, wie sie sich die erwähnte Ärztin nimmt. Exerzitien kommt vom lateinischen „exercitium“ für Übungen und klingt zunächst nach Liegestützen oder Klavier-Üben und fühlt sich anstrengend an. Aber Exerzitien sind nicht in erster Linie Trainings-Lager oder Selbstoptimierung. Exerzitien sind Zeit für Gott.
Ich mache in dieser Woche Exerzitien. Und ich gebe in dieser Woche alles ab, was mir sonst so wichtig ist: Mein Mobiltelefon, meinen Terminkalender, es gibt kein W-LAN, keine wichtigen Besprechungen, gar nichts.
Ich nehme mir keine Bücher mit, beim Frühstück liegt keine Tageszeitung, ich arbeite keine Korrespondenz und Akten auf. Ich mache kein Sightseeing und keine Ausflüge. Es gibt keine Massagen, keinen Pool und keine Mini-Bar auf dem Zimmer.
Klingt langweilig? Das ist für mich die spannendste und wichtigste Woche des Jahres. Denn ich habe Zeit für Gott.