Von geschlossenen Türen und versperrten Wegen ist an den Tagen vor Weihnachten oft die Rede. Fast immer geht es dann darum, Pforten zu öffnen, Wege zu bereiten und Gastfreundschaft zu zeigen. „Reiß ab vom Himmel Tor und Tür“ verlangt ein altes Adventslied, „reiß ab wo Schloss und Riegel vor!“ Ungestüm rüttelt die menschliche Seele an dem Himmelstor, fast verzweifelt leidet sie darunter, dass der richtige Schlüssel nicht zur Hand ist.
Ein anderes sehr bekanntes Lied dieser Tage unterstreicht dieselbe Botschaft. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Dahinter steht ein biblischer Ruf, der schon vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren im alten Israel gesungen wurde: „Ihr Tore, hebt eure Häupter, hebt euch, ihr uralten Pforten“ – heißt es im Psalm 24. Er wurde gesungen zum feierlichen Einzug der Bundeslade in den Jerusalemer Tempel. Es war ein Willkommenslied für Gott, der nahe bei den Menschen sein will. In einem Haus, in dem er willkommen ist.
Offene Türen sind ein Sehnsuchtsthema, ein menschliches Grundbedürfnis. Wer ausgeschlossen und anhaltend allein ist, um den wird es einsam. In diese seelische Einsamkeit hinein hören wir heute Abend wieder die vertraute Botschaft, dass sich etwas Großes ereignet hat. Dass Gott sich als Mensch seinen Geschöpfen anvertraut, damit sie ihn fassen und verstehen können. Als kleines Kind, anrührend, hilflos und herzerwärmend.
Wie reagieren wir darauf? Mit Freude, Offenheit und Sympathie! Wieder ist es eine Liedzeile, welche diese menschliche Reaktion so treffend zusammenfasst, wie man es kaum schöner sagen kann: „O komm mein Heiland, Jesus Christ, mein Herzens Tür dir offen ist …“
Ja, wer sein Herz für das göttliche Kind und seine Friedensbotschaft öffnet, der wird innerlich bestrahlt von beseligender Wärme, von göttlicher Gnade. Und wer diese Gnade erfährt, der kann nicht anders, als sie weiterzugeben. Er wird auch andere einladen, die ebenfalls noch Platz finden in seinem Herzen: Angehörige, Freunde, Nachbarn. Auch solche Menschen, die uns vielleicht nicht unmittelbar nahestehen oder die vielleicht weniger Sympathie ausstrahlen. Denn darin liegt der Zauber der Weihnacht: dass wir Beschenkte sind und deswegen unser Herz ebenfalls weit machen für andere.
Weihnachten ist die Kunde davon, dass Gott sich den Menschen zuneigt. Weil er den Ruf zum Öffnen der Himmelstür gehört hat. Und weil er Gott ist, der sich den Menschen zuneigt, auch in ihrer Armseligkeit. So wie das Kind bei den Hirten im Stall von Bethlehem. Selbst in den dunklen Nächten unseres Lebens lässt uns Gott wie in der Weihnacht nicht allein. Das ist meine Hoffnung und meine Zusage an Sie, liebe Hörerinnen und Hörer von „Heiligabend nicht allein“.
Ich wünsche Ihnen eine segensreiche Heilige Nacht mit einem offenen Herzen, mit Freude und Freunden, im Kreise Ihrer Lieben. Allen, die einsam sind und vor Sorgen nicht mehr ein noch aus wissen, gilt mein besonderer Gruß. Möge die weihnachtliche Zeit Ihnen trotz aller Not Momente der Zuversicht schenken.