Unterwegs sein ist etwas, das jeder von uns kennt. Ob wir auf Reisen sind, Verwandte besuchen oder ob wir uns auf neue Wege im Leben begeben. Der Zug ist bis heute das Transportmittel, das viele Reisende an ihr Ziel bringt. Aber manche, die sich auf dem Weg befinden brauchen dabei Orientierung und Hilfe. Für sie gibt es die Bahnhofsmissionen.
Die erste und älteste Bahnhofsmission Deutschlands finden wir am Berliner Ostbahnhof. In diesem Jahr wird sie 125 Jahre alt. Es waren Frauen aus christlichen und jüdischen Gemeinden, die sich Ende des 19. Jahrhunderts auf die Bahnsteige stellten, als immer mehr junge Frauen vom Land auf der Suche nach Arbeit Opfer von sozialer und sexueller Ausbeutung wurden. Heute kümmern sich die Helferinnen und Helfer zunehmend um psychisch auffällige, suchtmittelabhängige oder wohnungslose Menschen, die in der Bahnhofsmission oft ihre erste oder ihre letzte Anlaufstelle sehen.
Sie kümmern sich um Menschen wie „Mütze“, der sagt: „Für mich ist das wie meine Familie“. Mütze ist ohne Eltern aufgewachsen ist, war im Gefängnis und lebt seit zehn Jahren auf der Straße. Auch Sylvia hat kein Zuhause. Nachdem ihr altes Leben zusammengebrochen war, hat sie sich einfach in den Zug nach Berlin gesetzt, erklärt sie. Sylvia kommt jeden Morgen zum Frühstück und findet so ein wenig Halt in einem sonst haltlosen Leben. Leute wie Mütze und Sylvia treffen in der Bahnhofsmission auf Reisende, die ihren Anschluss verpasst oder ihr Geld verloren haben. Sie alle finden Hilfe.
„Ich hatte hier das erste Mal das Gefühl, dass ich etwas tue, was gut für andere ist, und damit auch gut für mich“, beschreibt Ulrike ihre Arbeit. Die gelernte Juristin freut sich besonders, wenn es ein Langzeitgast geschafft hat aus der Obdachlosigkeit herauszukommen. Einsamkeit kann die größte menschliche Strafe sein, sagt einer der Gäste. Wenn man allein unterwegs ist, ist es gut, dass es einen Ort gibt, um auszuruhen, sich aufzuwärmen, etwas zu essen, ein Stückchen Geborgenheit zu finden.
Der katholische Verband IN VIA ist Träger der Bahnhofsmission am Ostbahnhof. IN VIA bedeutet auf dem Weg sein. Vielleicht denken wir bei unserer nächsten Fahrt einmal daran, dass nicht jeder Weg automatisch ans Ziel führt. Dann sind wir sicher froh, wenn wir eine offene Tür finden, wie die der ältesten Bahnhofsmission.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.