Boden für die Zukunft seiner Gemeinde bereitetGedenken an Pfr. Heinrich Gehrmann zum 100. Geburtstag

Pfarrer von St. Marien in Brieselang 1974-1992, geboren am 01.03.1919 in Hammerstein / Ostpreußen. Die Kindheit verbrachte er dort gemeinsam mit seinen drei Brüdern in einer sehr christlich geprägten Familie.
Schon früh zeichneten sich seine besonderen Talente in Kunst, Musik und Literatur ab. Der innere Wunsch Priester zu werden schlummerte ebenfalls in ihm. Er besuchte das dortige Gymnasium in einer Zeit, in der der Nationalsozialismus seinen Aufschwung nahm. Sein waches poltisches Interesse und ausgeprägter Gerechtigkeitssinn brachten ihm kurz vor dem Abitur den Rauswurf ein.

Der Ausbruch des 2. Weltkriegs ließ ersteinmal alle Pläne zerplatzen. Er wurde zum Wehrdienst einberufen und erlebte Stalingrad mit anschließenden fünf harten Jahren Gefangenschaft in Russland. Auf Gottes Fügung vertrauend setzte er sich dort mutig für seine Mitgefangenen ein und erwirkte sogar die Möglichkeit gemeinsamen Betens, besonders des Rosenkranzgebetes. Ein aus den raren Brotkrumen heimlich gebastelter Rosenkranz war und blieb bis zuletzt sein Lebensbegleiter. Ein Stück trockenes Brot gehörte seit dieser Zeit immer zu seinem Ritual am Morgen.

Als ausgemergelter, kranker, aber nicht gebrochener junger Mann, nutzte er die wiedererlangte Freiheit, um seinem inneren Ruf zu folgen.

Nach seinem erfolgreichen Theologiestudium in Fulda wurde er am 25.04.1954 in Berlin zum Priester geweiht. Kaplansjahre folgten. Ende der 50er-Jahre wurde er zum eigenständigen Seelsorger in Fehrbellin ernannt, eine Landgemeinde im Neuruppiner Land.

Hier erlebte er wiederum die Folgen einer Diktatur, nämlich die Auswirkungen der Zwangskollektivierung und große Abwanderungswelle der Bauern. Das betraf auch viele seiner Gemeindemitglieder. Junge Familien hielten dem politischen Druck nicht mehr stand und gingen in den Westen, sodass im Laufe der Jahre seine besondere Sorge der älteren Generation galt. Nach zähen, aber erfolgreichen Verhandlungen mit den damaligen Behörden gelang es ihm, die Genehmigung zum An- und Umbau des Pfarrhauses  gemeinsam mit der Caritas zu einem Seniorenheim zu bekommen.

1974 brachte für den inzwischen 55-Jährigen noch einmal einen Neuanfang hier in Brieselang. Eine Gemeinde, baulich gerade voll saniert mit neuem Pfarrhaus und Gotteshaus. Hier erlebte er eine von seinem Vorgänger Hans Scharfenberg geprägte sehr lebendige Gemeinde und konnte sich besonders um die seelsorglichen Belange kümmern und weiter ausbauen.

Sehr schnell gewann er die Sympathie der Menschen vor Ort. Auf Grund seiner Körpergröße von 196 cm wurde er liebevoll "unser hoher Priester" genannt. Ein Seelsorger, der zu jeder Tages- und Nachtzeit  ansprechbar war. Urlaub kannte er nur selten, seine regelmäßigen Exerzitien boten ihm die nötige innere Einkehr und Entspannung.

Bei der Glaubensvermittlung stellte er an die Kinder und Jugendlichen hohe Ansprüche (in diesem Punkt traf er nicht immer auf die Gegenliebe seiner Schäfchen). Doch Dank seiner Musikalität konnte er dennoch bei den Kindern und Jugendlichen sehr punkten. Mit seiner Kinderschola wurden viele Gottedienste gestaltet, Musicals zu Gemeindefesten aufgeführt und die jährlichen Religiösen Kinderwochen unter seiner Regie belebt. Das Pfarrgrundstück war ein beliebter Treffpunkt zum Tischtennis- und anderen Spielen. Die Messliturgie war sein besonderes Steckenpferd. Er gründete eine kleine Schola leitete selber die Proben.

Geselligkeit war ihm ebenfalls wichtig, er war Mitbegründer der Kolpingsfamilie 1976.

Er pflegte gute Kontakte zur evangelischen Gemeinde. Erwähnenswert ist die Gründung einer ökumenischen Skatrunde, die nebenbei auch Möglichkeiten eines Gedankenaustausches und Vorbereitungen zu ökumenischen Gottesdiensten bot und noch immer besteht.

Bedingt durch seine Lebenserfahrung stand er dem DDR-Staat sehr kritisch gegenüber. Gern diskutierte er mit den Wahlwerbern. Wenn nötig stellte er sich schützend und selbstlos vor die bei ihm trost- und schutzsuchenden Menschen, gleich welcher Weltanschauung. Er erfreute sich großer Beliebtheit bei allen Gruppierungen der Gemeinde über die Pfarreigrenzen hinaus.

Viele Jahre war er nebenher auch Behindertenseelsorger im Bistum. Ein Seelsorger, der in Wort und Tat überzeugte.

Sehr wach begleitete er die Entwicklung in der Wendezeit. Er öffnete mutig die Kirchentüren, bot die kirchlichen Räume als geschützten Raum an, lud zum regelmäßigen ökumenischen Friedensgebet und zu poltischen Gesprächen und Diskussion ein. Seine Anwesenheit verbreitete eine gewisse Sicherheit.
In der Nachwendezeit ermutigte er die Gemeindemitglieder zur Übernahme politischer Verantwortung. Er selbst war dann Mitglied am örtlichen  Runden Tisch und später Vertrauensperson bei der 1. Einsicht der Stasiunterlagen der 1. Kommunalpoltiker.

Er war Brückenbauer aus der schon vor der Vorwendezeit bestehenden inoffiziellen kirchlichen Kontakte zu Haslach im Schwarzwald, nun zur dortigen Stadtverwaltung mit unserer politischen Gemeinde. Es entwickelte sich daraus ein reger gegenseitiger kommunaler Austausch. Es folgten viele gegenseitige offizielle Besuche und Hospitationen. Pfarreimäßig gab es viele schöne Begegnungen verschiedener Gruppen mit den Haslachern.

Als 1992 die Zeiten ausgewogener wurden, Pfr. Gehrmanns Gesundheit zu schwächeln begann, entschied er sich, zu den Benediktinerinnen nach Alexanderdorf als Hausgeistlicher zu gehen.

Bereits im  März 1992 wurde von den damaligen Gemeindevertretern der Beschluss gefasst, ihn wegen seiner Verdienste in der Wendezeit zum 1. Ehrenbürger von Brieselang zu ernennen. Die feierliche Ehrung erfogte mit der Laudatio des damaligen Amtsdirektors Heynisch am 01. Mai 1992.   

Zu einem weiteren Erinnerungsmoment wurde die Benennung der Haslacher Straße mit dem eingelegten Stadtwappen am Brieselanger Markt 1998.

Pfr. Gehrmanns besondere Sehnsucht war, noch einmal als freier Mensch an den Ort seiner Gefangenschaft zurückzukehren, den Menschen dort zu begegnen. Russisch hatter in den Jahren dort gelernt und begleitete mehrfach Hilfstransporte nach Litauen und Estland.

2003 wurde von den Gemeindevertretern ein weiterer Beschluss gefaßt, eine Straße nach ihm zu benennen. Mit einem besonderen Festakt im Rathaus und im Beisein von Poltikern fast aller Fraktionen, Gemeindemitgliedern, Bürgern, Angehörigen und Mitbrüdern wurde dieser Beschluss am 16.11.2003  durch unseren damaligen Erzischof Kardinal Georg Sterzinsky in die Tat umgesetzt.

Pfr. Gehrmann hat es verstanden, Menschen zur Verantwortung zu motivieren. Mit wachem Blick schaute er auf die Welt in seiner Veränderung, politisch, wie auch kirchlich.

Es war ihm wichtig, den Boden für die Zukunft seiner Gemeinde zu bereiten. Intensiv bestärkte und unterstützte er seine Gläubigen zur Eigenverantwortung mit den unterschiedlichen Begabungen in den verschiedensten Diensten und Aufgaben für den Tag X.  Schon damals sah er die notwendig werdenden Unstrukturierungen der Gemeinden am Horizont auf unser Bistum zukommen. Er setzte auf Zuversicht, Hoffnung und Gottvertrauen.

Nach seinem Tod am 13.12.1997 übergaben seine Angehörigen die Ehrenbürgerurkunde der Pfarrei. Dort hat sie im Gemeindesaal einen geeigneten Platz gefunden.

Im letzten Jahr hat die Gemeinde Brieselang auf dem Waldfriedhof in Brieselang einen Ehrenhain eingerichtet, dessen 1. Gedenkstein der Grabstein von Pfr. Gehrmann sein wird.

Am Sonntag, dem 24. März 2019 wird im Sonntagsgottesdienst um 10.00 Uhr in besonderer Weise an ihn gedacht und anschließend der Stein an seinem neuen Standort feierlich gesegnet werden.