Berlin (KNA) Es ist ein Ort, wo Flüchtlingsfrauen das finden, was sie lange gesucht haben: Schutz und Bildung. Im Berliner Stadtteil Neukölln hat "JACK" seinen Sitz - eine Bildungsstätte für geflüchtete Frauen und andere Migrantinnen. Rund 100 Frauen aus 27 Ländern besuchen hier in zwei bescheidenen Klassenzimmern zurzeit fünfmal pro Woche die Alphabetisierungs-, Deutsch- und Computerkurse. Sie sind zwischen 18 und 66 Jahre alt und verbunden durch eine schwierige Vergangenheit. Doch den freundlichen Gesichtern sieht man das nicht an.
Die Hälfte der Frauen sind Analphabeten. Für so manche 50-Jährige ist es das erstes Schuljahr. Auch spielerisch bringen die Mitarbeiterinnen ihnen das Schreiben und Lesen bei. Doch nicht nur das: Daneben gehen die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen mit den Frauen ins Museum, man trifft sich zum Kochen oder in Nähgruppen, zu Selbstverteidigungs- und Tanzkursen oder lernt das Fahrradfahren. Seit kurzem gibt es sogar eine Yogaklasse. "Wir konzentrieren uns auf das Positive, den Weg nach vorne," sagt die Leiterin von JACK, Daniela Dachrodt.
Ein Engagement, das der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin an diesem Freitag mit der Verleihung seines "Drei-Königs-Preises" und 1.700 Euro würdigte. Mit diesem Integrationspreis zeichnet die höchste Laienvertretung des Erzbistums alljährlich Initiativen aus, die das Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen, Sprachen und Religionen fördern. "Wir möchten mit der Preisvergabe ermutigen zu einem engagierten Handeln mitten in der Gesellschaft", betonte der Diözesanratsvorsitzende Bernd Streich.
Bildungsstätten wie "JACK" sind selten. Deshalb reisen Frauen auch aus ganz Brandenburg an. Viele nehmen eine zweistündige Anreise auf sich, um anderthalb Stunden lernen zu dürfen. Kein Vergleich freilich mit dem Weg, den viele auf ihrer Flucht vor Hungersnöten, Kriegen und Verfolgung zurückgelegt haben.
Während der Unterrichtsstunden werden die kleinen Kinder der "Studentinnen" von Ehrenamtlichen betreut. Einem dreijährigen somalischen Mädchen fallen im Arm der Betreuerin die Augen zu. Ihre Mutter ist mit Zwillingen schwanger, ihre Schwester in einem anderen Kindergarten untergebracht. Der Vater ist noch in Italien. "JACK" hat besonders alleinstehende Frauen mit Kindern im Blick, aber natürlich können auch Verheiratete das Angebot nutzen. Die meisten wohnen in Flüchtlingsheimen, Turnhallen, Frauen-WGs.
Der Praxisbezug steht bei "JACK" im Vordergrund. So lernen die Frauen in den Computerkursen auch Wohnungsportale kennen und pauken Vokabeln für Wegbeschreibungen. Darüber hinaus ist die Initiative behilflich bei der Ausstellung von Zeugnissen in Abschiebungsverfahren oder informiert über Bildungsanrechte. Eng ist auch die Kooperation mit der angrenzende psychosozialen Fachberatungsstelle "SOLWODI". Die katholische Hilfsorganisation für Frauen und Mädchen in Not erhielt bereits 2014 den "Drei-Königs-Preis".
Die Gründung von "JACK" geht auf einen Todesfall zurück: Eine Berlinerin, selbst Migrantin, verlor ihren erwachsenen Sohn Jack und entschied sich, mit dem Erbe 2012 eine Migrantinnen-Bildungsstätte zu begründen. Von diesem Kapital "lebt" die Initiative bis heute, nebst kleinen Privatspenden, Gottesdienstkollekten und der Unterstützung durch das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken. Seit 2014 ist die Bildungsstätte Projekt des katholischen Trägervereins Palotti-Mobil. Viel sei auch dem Engagement des Erzbistums Berlin zu verdanken. Ohne weitere Spender ist die Zukunft jedoch über das nächste Jahr hinaus unsicher.
"Neben Bildung bietet JACK den Frauen die notwendige emotionale Stabilität in ihren schwierigen Lebenssituation: Hier haben sie einen Ort zum Austausch, sind beschäftigt und bauen sich eine Basis fürs Leben auf", erläutert Dachrodt. Eine junge Kenianerin bestätigt das. Sie musste vor ihrem Mann fliehen und ihre Kinder zurücklassen: "Es ist schwer. Aber sie helfen uns so sehr hier. Sie helfen uns, unsere Probleme zu vergessen. Wenn man Leute wie hier findet, kann man nur Gott danken."