Die Ökumene vorantreiben Die katholischen Laien nach dem 100. Deutschen Katholikentag

KNA: War das Nein, die AfD nicht zum 100. Deutschen Katholikentag in Leipzig einzuladen, auch im Nachhinein noch richtig?

Vesper: Ich war schon von der Richtigkeit überzeugt, als der damalige Präsident des ZdK und Vorsitzende der Katholikentagsleitung, Alois Glück, sich im vergangenen November gegen eine Beteiligung von AfD-Repräsentanten auf den Katholikentagspodien aussprach. Sein Nachfolger Thomas Sternberg hat diese Entscheidung voller Überzeugung mitgetragen, und sie hat sich als richtig erwiesen, wie auch die Reaktion des Katholikentagspublikums während der Leipziger Tage immer wieder gezeigt hat. Und wer aktuell auf die AfD schaut, wird diese Entscheidung auch im Nachhinein für richtig halten.

KNA: Da die AfD bereits in zahlreiche Landtage eingezogen ist und es laut Umfragen wahrscheinlich auch in den 2017 zu wählenden Bundestag schafft, wird das ZdK als Repräsentanz der katholischen Laien wohl nicht umhinkommen, das Gespräch mit der AfD zu suchen.

Vesper: Wir haben nie ausgeschlossen, mit Mandatsträgern der AfD zu sprechen. Präsident Sternberg hat bereits mit Alexander Gauland diskutiert. Er wird dies im September in Dresden erneut tun. Allerdings ist die Entwicklung rund um die AfD derart im Fluss, dass man heute keine genaue Aussage treffen kann. Es gilt allerdings, die Sorgen und Nöte der Menschen, die glauben, dass die AfD ihre Stimme ist, ernst nehmen. Hier sind alle politischen Kräfte in der Bundesrepublik gefragt.

KNA: Große Vorbehalte gab und gibt es ja seitens der katholischen Kirche auch gegenüber der Linkspartei. Sie haben aber den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow als Referenten zum 100. Deutschen Katholikentag eingeladen.

Vesper: Das ZdK-Präsidium hat vor einiger Zeit auch einen ersten politischen Austausch mit dem Präsidium der Partei Die Linke durchgeführt. Das war übrigens bei uns nicht unumstritten. Es gibt ja bei uns nicht wenige katholische Christen aus den neuen Bundesländern, die durch die Vorgängerorganisationen der Partei Die Linke erheblich gelitten haben, in ihren Lebensplanungen benachteiligt und in ihren Freiheitsrechten behindert wurden. Das ist nicht vergessen. Solche Gespräche dienen zunächst einmal einem gegenseitigen Kennenlernen der verantwortlichen Personen. Das Maß an inhaltlicher Übereinstimmung war überschaubar.

KNA: Halten Sie es für möglich, dass in absehbarer Zeit auch ein Mitglied der Linken in die Vollversammlung des ZdK gewählt wird?

Vesper: Das kann ich mir derzeit nicht vorstellen. Gewählt werden bei uns aber katholische Persönlichkeiten wegen ihres kirchlichen und gesellschaftlichen Engagements, nicht weil sie einer bestimmten Partei angehören.

KNA: Sie haben auf dem 100. Deutschen Katholikentag intensiv das Gespräch mit Konfessionslosen gesucht, die ja zwischen Elbe und Oder die Mehrheit bilden. Hat sich dieser Versuch gelohnt?

Vesper: Ein ganzer Themenbereich des Leipziger Treffens stand unter der Überschrift "Leben mit und ohne Gott". Hier hat es viele gute Gespräche und Begegnungen zwischen Christen und Menschen, die ohne Glauben an Gott leben, gegeben. Die Christen konnten zeigen, was sie in ihrem Leben trägt. Hierauf müssen ja alle Menschen, ob sie glauben oder nicht, eine Antwort geben. Darüber hinaus konnten wir zeigen, wie wir aus christlichem Glauben unsere Gesellschaft mitgestalten und prägen wollen. Ein größerer Teil des Katholikentagprogramms war frei zugänglich und konnte ohne Eintrittskarte besucht werden. Die Leipziger Bevölkerung hat sich als sehr aufgeschlossen gezeigt.

KNA: Welche Impulse sind vom Leipziger Katholikentag für den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin und Wittenberg ausgegangen?

Vesper: Wir hatten ein umfangreiches Ökumene-Programm mit Gottesdiensten, Gesprächen und auch strittige Debatten. Zu allererst ist einmal zu sagen, dass uns die evangelischen Christinnen und Christen in Leipzig und der ganzen Landeskirche sehr unterstützt haben. Wir wollen versuchen und dazu beitragen, dass auch die Katholiken aus ganz Deutschland und besonders im Osten den Kirchentag und die Veranstaltungen im Reformationsjahr mit aller Kraft unterstützen. Vielleicht ist es uns gelungen zu zeigen, dass wir als Katholiken an der Ökumene nicht nur interessiert sind, sondern sie auch entschieden vorantreiben wollen. Emotional war der große ökumenische Gottesdienst wohl das wichtigste Ereignis in diesem Zusammenhang, aber auch ein ganz besonders ökumenisch gestalteter Fronleichnamsgottesdienst. Das war ein Gottesdienst, den man eigentlich als Modell für unsere Gemeinden vervielfältigen sollte.

KNA: Steht bereits fest, ob und wie sich das ZdK an den Feierlichkeiten der Evangelischen Kirche zum 500. Jahrestag der Reformationsbeginns 2017 beteiligen wird?

Vesper: Wir werden uns an vielen Feierlichkeiten beteiligen. Wir werden am Evangelischen Kirchentag in Berlin und Wittenberg teilnehmen. Eine Ausstellung des Katholikentags findet ihren zweiten Teil im Rahmen des Reformationsjahres in einem eigenen Ausstellungselement in Magdeburg. Präsident Sternberg nimmt am Festakt am 31. Oktober 2017 teil. Es gibt auch eine eigene Veranstaltung. Voraussichtlich am 16. September 2017 veranstalten wir als ZdK zusammen mit dem Kirchentag, aber auch mit der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz ein Ökumenisches Fest in Bochum. Das wird unser - wie ich finde nicht unwichtiger - Beitrag zum Reformationsjahr 2017 sein.

KNA: Nun gilt ja das ZdK innerhalb der katholischen Kirche als Motor für die Ökumene. Wird es Initiativen ergreifen, die über entsprechende Pläne der deutschen Bischöfe hinausgehen?

Vesper: Ich finde die Pläne der deutschen Bischöfe gut und auch besonders zeichenhaft. Sie wollen ja mit der EKD nicht nur eine Reise nach Israel, sozusagen an die Quellen unseres Glaubens, veranstalten, sondern auch einen besonderen Gottesdienst zur Versöhnung von Wunden, die man einander in der Geschichte geschlagen hat, durchführen. Es gibt noch einige andere Veranstaltungen. Unser gemeinsames Ökumenisches Fest gehört auch zu diesen Ideen, die die Bischöfe und Laien von beiden Seiten miteinander tragen.

KNA: Es ist kein Geheimnis, dass die Kluft zwischen den Bischöfen und den Gemeinden vor Ort in Fragen der praktizierten Ökumene immer größer wird. Auf welcher Seite steht das ZdK?

Vesper: Ich werde nicht müde, den Gegensatz, den Ihre Frage enthält, zu bestreiten. Es gibt ökumenisch außerordentlich sensible und offene Bischöfe und solche, die dies anders sehen. Das Gleiche gilt auch für die Gemeinden, von denen es ökumenisch sehr offene und engagierte gibt, und solche, die sich nicht besonders interessieren. Ich bin überzeugt, dass der größte Feind der Ökumene das Desinteresse ist. Dagegen arbeiten wir als ZdK seit Jahren und weisen darauf hin, dass wir nur gemeinsam die Kirche Christi sind und dass wir weiter an der Einheit bauen müssen. Dazu dienen auch unsere Kirchen- und Katholikentage, die viele ökumenische Elemente enthalten. Übrigens nehmen viele Gemeinden wichtige ökumenische Anregungen von den Katholikentagen mit nach Hause.

KNA: Auch Sie halten an dem Ziel fest, 2021 den nächsten, den dritten Ökumenischen Kirchentag durchzuführen?

Vesper: Wir hoffen sehr, dass der dritte Ökumenische Kirchentag 2021 stattfinden kann. Es gibt hier gute Ansätze zur Hoffnung. Wir hoffen, dass wir in diesem Herbst weitere klärende Gespräche führen und vielleicht zu einer Entscheidung kommen können. Wir werden jedenfalls alles daran setzen, dieses Ziel zu erreichen.

KNA: Da die Zahl der Mitglieder in beiden Volkskirchen durch Austritte und demografischen Wandel weiter zurückgeht, stellt sich die Frage, ob nicht in absehbarer Zeit Ökumenische Kirchentage die Regel und konfessionelle die Ausnahme bilden?

Vesper: Ich erwarte das auf absehbare Zeit nicht. Beide Seiten, die evangelische und die katholische Laienbewegung, sind gemeinsam der Auffassung, dass man für jede Seite eine jeweils aktive Laienbewegung braucht. Konkret: Die evangelische Laienbewegung ist in der evangelischen Kirche ebenso unverzichtbar wie die katholische Laienbewegung in unserer katholischen Kirche. Die Ökumenischen Kirchentage sind wichtige Zeichen der gemeinsamen Arbeit und des gemeinsamen Gebets. Die Katholikentage und die Deutschen Evangelischen Kirchentage sind aber in den jeweiligen Kirchen unverzichtbare Gelegenheiten, das Wort der Laien öffentlich zu artikulieren. Und für die Ökumenischen Kirchentage sind Katholiken- und Kirchentage die unverzichtbare Grundlage.

KNA: Der Deutsche Evangelische Kirchentag verstärkt seine Bemühungen um einen Europäischen Kirchentag. Ist das ZdK mit eingebunden?

Vesper: Hier laufen viele Initiativen, die alle gut sind, derzeit noch parallel. Wir sind an den Gesprächen um einen Europäischen Kirchentag beteiligt. Auch auf unserer Seite gibt es seit langem Überlegungen zu europäischen Katholikentagen. Wir sind mit unseren Partnern hier weiter in klärenden Gesprächen. Dass das Zeugnis der Christinnen und Christen in Europa immer wichtiger wird, zeigt gerade die jetzige Situation: Deutsche, französische und polnische Katholiken haben sich gerade dazu zu Wort gemeldet.