Gartenarbeit auf dem AppellplatzBerliner Kolpingwerk unterstützt KZ-Gedenkstätte Ravensbrück

Vertreter der Kolpingjugend Berlin mit der Auszeichnung. Foto: Daniel Buchholz

Berlin/Ravensbrück (KNA) Die Akazien stechen, die Birken zerkratzen die Haut. Jede Menge wildes Gewächs muss entfernt werden, damit die Sicht auf die Baracken wieder frei wird - Lagerbaracken eines ehemaligen Konzentrationslagers. Nördlich von Berlin liegt die heutige Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück bei Fürstenberg an der Havel. Dort engagieren sich seit über 20 Jahren freiwillige Helfer des Berliner Kolpingwerks. Am Freitag zeichnete Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) das Projekt mit dem Franz-Bobzien-Preis für vorbildliche geschichtlich-politische Bildung aus.

"Wir legen Wege frei, schaffen Sichtschneisen, manchmal kratzen wir auch einfach nur Moos ab", sagt Daniel Buchholz. Der 36-Jährige hat bereits vor 18 Jahren zum ersten Mal mitgeholfen, das Gelände des alten Lagers zu pflegen. Mittlerweile gibt es bis zu vier Mal im Jahr ein dreitägiges Kolping-Workcamp vor Ort.

Das KZ Ravensbrück wurde in der NS-Zeit nach einem nahe gelegenen Gewässer als die "Hölle am Schwedtsee" bezeichnet. Insgesamt waren dort 132.000 Menschen inhaftiert. In diesem Lager fielen vor allem Frauen dem NS-Terror zum Opfer, darunter Jüdinnen, Sinti und Roma sowie von den Nazis als "asozial" bezeichnete Frauen. Sie kamen aus mehr als 40 Nationen, starben an Hunger, Krankheiten oder medizinischen Experimenten. 1945 befreite die Rote Armee den Ort und nutzte Teile des Lagers als Kaserne. In der Folgezeit verfielen große Teile davon, obwohl die DDR-Machthaber 1959 eine erste Gedenkstätte dort einrichteten.

"Niemand arbeitet hier mit, ohne die Geschichte von Ravensbrück kennenzulernen", betont Izabela Kozlick. Die 28-jährige Sozialarbeiterin ist Beauftragte für das Engagement an der Gedenkstätte und damit Expertin für das Projekt. "Wir leisten hier nicht nur Gartenarbeit, sondern nehmen unseren Bildungsauftrag ernst." Ihr Vereinskollege Buchholz fügt hinzu: "Das ist hier deutsche Geschichte ohne Buch, ohne Film, sondern ganz real." Wer zum ersten Mal an einem Arbeitseinsatz teilnimmt, soll auch etwas über die Geschichte dieses Orts erfahren. "Man bekommt mit der Zeit auch ein Gefühl für das Gelände", sagt Buchholz.

Der tatkräftige Mann, der in einer Justizvollzugsanstalt arbeitet und nicht zimperlich wirkt, wird bei der Arbeit manchmal nachdenklich. "Einmal haben wir an einer Stelle gearbeitet, wo im Winter 1942 ein Zirkuszelt stand", erzählt er. Es wurde als Häftlingsunterkunft genutzt. "Wir waren mit 20 Mann auf dem Fleckchen Erde schon recht nah beieinander, konnten ohne Rufen miteinander sprechen. Das Makabre war, dass in dem Zelt etwa 2.500 Frauen eingepfercht waren wegen Überfüllung des Lagers."

Buchholz nennt Erlebnisse wie dieses "Wahrnehmen von Geschichte". Dazu gehören auch Details aus dem Leben der Lagerhäftlinge, über die Ausstellungen auf dem Gelände berichten. Wie andernorts bestand der Alltag in Ravensbrück aus zynischen Schikanen. "Am Karfreitag gab es Suppe mit Fleischeinlage, das einzige Mal im Jahr", erzählt Buchholz. Zu Weihnachten hing am Tannenbaum eine Leiche, fährt er fort.

Vor 20 Jahren bestand schon eine kleine Gedenkstätte, jedoch waren weite Teile des alten KZ-Geländes unwirtlich, die Gebäude von Verfall bedroht. Der Amtsdirektor von Fürstenberg, Raimund Aymanns, bat das Kolpingwerk um Hilfe. Dem gebürtigen Rheinländer war der katholische Priester Adolph Kolping (1813-1865), Gründer und Namensgeber des Sozialverbands, nicht unbekannt. "Die Kolpingmitglieder haben ganz am Anfang der Initiative ein altes SS-Aufsichtshaus entkernt. Heute wird es als Teil der Gedenkstätte genutzt", erzählt Buchholz.

Oft steht einfach nur Landschaftspflege auf dem Programm der Kolping-Helfer. "Das ist reines Ehrenamt, und wir zahlen alles aus eigener Tasche", sagt die Projektbeauftragte Kozlick. Vor vier Jahren schlossen die Kolpinger einen Kooperationsvertrag mit der "Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten". Gedenkstättenleiterin Insa Eschebach würdigte das Engagement des Kolpingwerks damals als "Pionierarbeit".