Sieben Wochen sich frei zu nehmen, um den bekannten Jakobsweg zu gehen? Für viele Berufstätige ist dies zeitlich nur schwer realisierbar. Wäre es dann nicht einfacher, mit dem Schiff an der Atlantikküste Spaniens zu landen und die übrige Wegstrecke zu Fuß zu gehen? Zugegeben, die Sache mit dem Schiff lässt sich inzwischen auch einfacher durch die Luft bewältigen. Der verbleibende Landweg allerdings lohnt sich, entdeckt zu werden. Der von Norden kommende Englische Jakobsweg (Camino Inglés) ist mit seinen knapp 120 Kilometern der kürzeste aller eigenständigen Wege nach Santiago de Compostela.
So machten sich in der Zeit vom 5. bis zum 12. September zwanzig Pilgerinnen und Pilger auf den Englischen Jakobsweg, die aus den Berliner Stadtteilen Friedrichshain, Lichtenberg und Reinickendorf kamen. Raphael Weichlein, Kaplan in den Pfarreien St. Mauritius und St. Antonius, hatte zur Pilgertour eingeladen und diese geleitet. Geistliche Morgenimpulse, Gespräche zu zweit und die Mitfeier von Gottesdiensten gehörten ebenso zum Pilgererlebnis wie das allabendliche Genießen der spanischen Küche und das Übernachten in Pilgerherbergen.
Der Camino Inglés ist mit seiner Kürze etwas für alle, die es eilig haben. Werden wir durch den Weg auch heilig? Sicherlich nicht einfach dadurch, indem man sich Wanderschuhe anzieht und einen Rucksack anlegt. Als ersten Schritt aber sehr wohl dadurch, sich in den Gesprächen über Generationen, Berufsgruppen und Gemeindegrenzen hinweg zu öffnen, einander anzunehmen und sich auch auf etwas Neues im Leben einzulassen. „Vertraut den neuen Wegen“, lautet es in einem geistlichen Lied, „weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt“. Eine Woche Jakobsweg – so das übereinstimmende Feedback der Pilgergruppe – trägt durchaus zur Entschleunigung und Neuausrichtung unseres Alltags bei. Es ist eben ein Weg nicht nur für Eilige.