Dresden (KNA) Mit Heinrich Timmerevers leitet künftig ein Südoldenburger die Geschicke des Bistums Dresden-Meißen. Der nunmehr 50. Oberhirte des sächsischen Diaspora-Bistums ist für viele bislang ein unbeschriebenes Blatt. Wer ist dieser Niedersachse, aus dem nun ein Sachse werden soll? Timmerevers, der aus einer Landwirtsfamilie mit sechs Kindern in Nikolausdorf im Landkreis Cloppenburg stammt, gilt als bodenständig, geradlinig, offen, den Menschen zugewandt und im Oldenburgischen fest verwurzelt. Hier im niedersächsischen Teil des Bistums Münster wuchs der 64-Jährige auf, hier war er erst Kaplan, dann Pfarrer und ab 2001 Weihbischof.
Außerhalb seines Sprengels vernahm man Timmerevers' Stimme öffentlich eher selten. Dennoch ist er jemand, der über den Tellerrand hinaus blickt: Seit 2006 ist er in der Deutschen Bischofskonferenz Mitglied der Kommission für das Südamerika-Hilfswerk Adveniat, seit 2012 Bundesseelsorger des Malteser Hilfsdienstes und Kaplan des Malteserordens. Darüber hinaus ist Timmerevers Beauftragter für die Geistlichen Gemeinschaften und Mitglied der Kommission für geistliche Berufe und Kirchliche Dienste.
Wie sein Vorvorgänger in Dresden, Bischof Joachim Reinelt, gehört er seit Studienzeiten der neuen geistlichen Bewegung der "Fokolare" an. Zwei Dinge faszinieren ihn daran nach eigener Aussage besonders: zum einen die Herausforderung, das Evangelium im Alltag lebbar zu machen. Zum anderen die Zukunftsvision der Fokolare-Gründerin Chiara Lubich (1920-2008), die Spaltung der Menschheit zu überwinden und Menschen zusammen zu führen. "Dafür muss man manchmal weite Weg gehen. Das heißt, man muss sich immer auf den konkreten Menschen einlassen und ihn versuchen zu verstehen, ihn auf einen Weg mitnehmen", sagt Timmerevers und räumt zugleich ein: "Das ist manchmal sehr mühsam."
In Sachsen, wo rechtsradikale Umtriebe und die Pegida-Bewegung Teile der Gesellschaft bis in die Pfarrgemeinden hinein spalten, dürfte man für einen umsichtigen Vermittler dankbar sein. Bisher habe er sich von Pegida noch keinen genauen Eindruck verschaffen können, so der neue Bischof: "Aber ich nehme schon wahr, dass es sehr differenziert zu betrachten ist und es große Unsicherheiten und Ratlosigkeit gibt - von Seiten der Gesellschaft wie der Kirche." Zugleich plädiert er dafür, den Dialog nicht abzubrechen und hält eine generelle Gesprächsverweigerung für keinen gangbaren Weg.
Das Überwinden von Spaltungen versteht Timmerevers auch interkonfessionell. Der ökumenische Dialog ist ihm seit Jahren ein Anliegen. Pilgerreisen, von ihm mitinitiierte Gesprächskreise für konfessionsverschiedene Ehepaare und ökumenische Friedensgebete zeugen davon. Der in Sachsen traditionell gute Dialog zwischen Katholiken und Protestanten dürfte bei Timmerevers in guten Händen liegen. Das erste Zusammentreffen mit seinem evangelischen Amtsbruder, dem sächsischen Landesbischof Carsten Rentzing, beschreibt er als sehr herzlich: "Wir werden einen gemeinsamen Weg gehen." Zugleich legt er Wert darauf, bei allem Miteinander die wechselseitigen Profile nicht zu verwischen.
In einem ersten Brief an die Gläubigen in Dresden-Meißen schrieb Timmerevers: "Ich komme zu Ihnen als Lernender." Er wolle erst einmal "zuhören, zuhören, zuhören". Auch kündigte er an, er werde zurückhaltend sein, wenn es darum gehe, Dinge am Westen zu messen: "Sonst ist man schnell der Besser-Wessi."
Quasi einen Probelauf in seinem neuen Bistum hatte Timmerevers beim 100. Deutschen Katholikentag in Leipzig im Mai. Dort wollte er zwar nicht in seiner neuen Rolle auftreten, stand aber natürlich trotzdem im Mittelpunkt des Interesses. Zahlreiche Gläubige, Kleriker und Politiker suchten das Gespräch und die Begegnung mit dem Neuen.
Seiner künftigen Aufgabe als Oberhirte einer katholischen Minderheit sieht er zuversichtlich entgegen. Diaspora habe er immer als Gemeinde erlebt, in der Christen sich "mit großer Entschiedenheit" treffen. "Wer seinen Glauben leben will, muss sich bewegen", so Timmerevers, der damit vielleicht die künftige Marschrichtung vorgibt.