„Ständige Vertretung“ des Bistums in Berlin

DIE PFARREI ST. MATTHIAS wird seit ihrer Gründung vor 150 Jahren immer von einem Pfarrer aus dem Bistum Münster geleitet. Warum das so ist, welche bekannten Priester in Berlin gewirkt haben und wie die Gemeinde das Jubiläum feiert.

Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in der früheren DDR lag in Berlin-Mitte. „Die Ständige Vertretung des Bistums Münster liegt bis heute in Schöneberg“, sagt Pfarrer Josef Wieneke. Seine Pfarrei St. Matthias wird seit Gründung vor 150 Jahren immer von Priestern des Bistums Münster geleitet.

Die Regelung geht auf Matthias Aulike zurück. Der 1865 gestorbene Münsteraner war im preußischen Kultusministerium leitender Beamter für katholisch-kirchliche Angelegenheiten. Damals gab es nur eine katholische Kirche in Berlin – St. Hedwig, die heutige Bischofskirche in Mitte. Aulike vermachte in seinem Testament der Kirche 20 000 Taler. Das Geld sollte helfen, in Schöneberg eine Kirche zu bauen.
Aulikes Wunsch: Sein Heimatbischof in Münster solle immer die Seelsorger stellen. Der für Berlin zuständige Bischof und die preußische Regierung akzeptierten. Die 1867/68 gebaute Kirche wurde nach dem Namenspatron des Stifters Aulike St. Matthias genannt.

Eine solche Regelung gibt es im ganzen Erzbistum Berlin nicht noch einmal: „Eine bereichernde Konstruktion“, findet dessen Sprecher Stefan Förner. „Wir müssten natürlich Verständnis haben, wenn irgendwann einmal ein Bischof von Münster uns keinen Pfarrer mehr schicken kann. Aber ich finde es durchaus modern, wenn Priester aus anderen Bistümern die Chance haben, die Kirche in Diaspora-Gebieten wie Berlin kennen zu lernen.“

Diaspora – nur jeder elfte Berliner ist heute katholisch. Pfarrer Wieneke empfindet es aber nicht so: „Sätze wie ,Noch haben wir…‘ verwenden wir hier nicht. Unser Messbesuch liegt über zehn Prozent. Und bei einer Erstkommunionfeier habe ich oft mit Kindern aus bis zu 15 Nationen zu tun.“ Wieneke erlebt sogar Wachstum. „Wir haben natürlich Austritte. Aber zu uns kommen auch ganz viele spirituell Suchende.“
Wieneke, gebürtig aus Dülmen und vor 2013 Pfarrer in Altenberge im Kreis Steinfurt, sagt, er habe die „Herausforderung der Großstadt“ gesucht. Und sich auch deshalb nach Berlin beworben, weil seine Schwester dort lebt.

In 150 Jahren waren rund 70 Priester des Bistums Münster in Berlin tätig, bis 1960 auch Kapläne. Der berühmteste ist wohl Clemens August Graf von Galen, der 1906 Kaplan an St. Matthias wurde und von 1919 bis 1929 dort Pfarrer war.
Auch Galens Nachfolger als Pfarrer ist unvergessen: 1934 war der Laie Erich Klausener, Vorsitzender der Katholischen Aktion im Bistum Berlin und Kirchenvorstand in St. Matthias, von den Nationalsozialisten ermordet worden. Matthias-Pfarrer Albert Coppenrath widersprach öffentlich der Lüge von Klauseners Selbstmord.
Immer wieder bezog Coppenrath von der Kanzel Stellung gegen die Nazis, war deshalb gut einen Monat in polizeilicher Haft. Die Behörden verhängten 1941 ein Aufenthaltsverbot für das Bistum Berlin. „Den Schreibtisch, den er der Gemeinde vererbt hat, hat ein paar Mal die Gestapo durchsucht“, sagt Pfarrer Wieneke.

Ihr 150-jähriges Bestehen feiert die Matthias-Pfarrei unter anderem am Sonntag, 3. Juni. Dann wird Wienekes Bischof Felix Genn aus Münster erwartet. Um 10 Uhr feiert er Gottesdienst in der ursprünglichen St.-Matthias-Kirche an der Potsdamer Straße. Sie wird seit 1984 von einer syrisch-orthodoxen Gemeinde genutzt.
Größerer Neubau
Im Anschluss zieht die Fronleichnamsprozession zur heutigen katholischen Pfarrkirche am Winterfeldtplatz. Auch sie heißt St. Matthias. Die größere, dreischiffige Kirche wurde bereits von 1893 bis 1895 erbaut, weil die Zahl der Katholiken so stark gewachsen war.
St. Matthias am Winterfeldtplatz trägt den Namen der ersten Pfarrkirche von 1868, ist aber ein größerer Neubau.