Urlaub für die SeeleMit eigener Währung mittenmang!

Wir waren noch keine 48 Stunden in Zingst, da flogen schon die Fetzen. Aber so richtig. Der Grund des lautstarken Streites: Die Frage, was denn wohl für die Menschen das Beste sei. Und da gingen die Meinungen eben ziemlich auseinander. Und nachgeben wollte natürlich niemand!

Das einzig Gute an dieser vertrackten Situation: nicht wir Urlaubsseelsorger hatten uns etwa in die Haare gekriegt. Vielmehr spielte sich das Ganze in einer Geschichte in den himmlischen Malstuben der Engel ab, die von Gott den Auftrag bekommen hatten, alles, was er sich ausdenkt, mit passenden Tönen und Farben zu versehen. Das ging ja auch so weit gut, bis sich die Engel an Gottes Lieblingsentwurf zu schaffen machten: dem Menschen. Der jedenfalls war schließlich mit so vielen verschiedenen Farbklecksen verhunzt, dass Gott seinem himmlischen Hilfstrupp eilig einen Riegel vorschob, und die Bemalung der Menschen zur Chefsache erklärte. Gesagt, getan. Das Ergebnis können wir jedes Mal bewundern, wenn wir in den Spiegel schauen.

„Ankerpunkt – das besondere Abendgebet“ heißt das Format, in dessen Rahmen eben diese konfliktreiche Geschichte vorgelesen wurde und das in diesem Jahr im Rahmen der Tourismuspastoral am Standort Zingst Premiere hat. Es scheint sich auch durchaus zu bewähren, denn jeden Freitag abend versammelt sich dazu ein kleines, aber feines Trüppchen von Urlaubern in der Kirche St. Michael.

Doch wir können auch „Massenansturm“, denn zwei Mal in der Woche kommt eine Stadtführerin mit einem bis zu 35 Personen starken Urlauberauflauf, und macht auch in unserer Kirche Halt.

Mussten wir noch im vergangenen Jahr zu Beginn des Sommerprojektes ungläubig mit anhören, wie draußen die Erklärung gegeben wurde: „Das hier ist die Kirche St. Michael. Eigentlich ist die immer zu. Aber ich sehe, dass da heute die Türen auf sind. Vermutlich machen die gerade eine Grundreinigung oder so. Das sollten wir mal schnell nutzen und reingucken“; konnten wir dieses Missverständnis schnell bereinigen und klären, dass wir die Kirche tatsächlich von Grund auf herausgeputzt hatten – nämlich mit verschiedensten inhaltlichen Angeboten für Urlauber und sperrangelweit geöffneten Türen den ganzen Sommer über. Und so lautet die Ansage der Stadtführerin in diesem Jahr dann auch: „In der Kirche St. Michael findet im Sommer ein Angebot statt, das heißt „Urlaub für die Seele“ und ist ‘ne wirklich schöne Sache …“.

Schön ist vor allen Dingen, wie viele unterschiedliche Menschen sich von unseren Angeboten ansprechen lassen: „Wir sind protestantisch. Aber Sie haben uns hier eine schöne Auszeit gegönnt“, bringt es eine Urlauberfamilie auf den Punkt, die es sich in unserer „Relax-Lounge“ gemütlich macht. Und eine ältere Dame lässt uns wissen: „Ich habe keinen Glauben, aber mein verstorbener Mann war katholisch. Das ist schön, dass man hier einfach mal verweilen darf.“ Und in unserem Gästebuch hinterlässt eine Urlauberin die Notiz: „Innehalten nach aller Hektik. Wunderschön. Wohltuend. Ich tanke auf. Danke. Ulrike aus Berlin. 13.08.2016“

Doch nicht nur Urlauber finden den Weg in unsere Sommerkirche. „Wir wohnen hier schon so lange und waren noch nie in dieser Kirche. Deshalb wollten wir mal kurz reinschauen“, so und ähnlich schallt es uns erstaunlich oft entgegen und eine der Einheimischen kommt sogar zu unseren „Sommernachtsmärchen in der illuminierten Kirche“, macht es sich im Schein vieler Teelichter und Kerzen in einem der Liegestühle bequem – und gibt den Urlaubern anschließend noch interessante Einblicke in das Leben auf der Halb-Insel jenseits des Tourismus. Da gehen so manchem die Augen auf, denn die Realität klingt doch deutlich weniger märchenhaft. 

Idealerweise plumpst uns dann auch noch mit der sogenannten Kunstmagistrale, einem dreitägigen Kunsthandwerkermarkt in der Fußgängerzone von Zingst – und damit direkt von unserer „Haustür“(!) eine tolle Gelegenheit vor die Füße, uns „mittenmang“ (wie der Berliner zu sagen pflegt) zu mischen. Also verlegen wir schnell Teile unseres Equipments nach draußen und befinden uns mit der Perlen-Designerin auf der einen und dem Holz-Handwerker-Stand auf der anderen Seite in friedlicher Koexistenz.
Zugegeben: unsere kleine Outdoor-Location funktioniert nach ganz eigenen Regeln der Wirtschaftlichkeit, denn wir bewähren uns weder im Schuh-Verkauf (Dame mit Blick auf unsere Flipflop-Leine: „Sagen Sie: Haben Sie die auch noch in schwarz?“), noch werden wir künftig als Möbel-Gestalter unseren Lebensunterhalt bestreiten können (ein Familie, unsere bunt beklebten Stühle in Augenschein nehmend: „Liefern Sie auch nach Hause, wenn wir sofort bezahlen?“). 

Aber wir können unsere „Kunden“ damit überzeugen, dass unsere Güter zwar gratis, aber nicht umsonst sind. Denn wir haben eine besondere Währung und einen eigen(willig)en Zahlungsmodus: die HEDWIGSTALER, die sich tatsächlich bewähren, wenn man sie verschenkt! Ja, dreißig-, sechzig- und hundertfach (Mk 4,20).