Zum Segen für die Menschen werden Erzbischof Dr. Heiner Koch über die vierte Synodalversammlung und ihre Konsequenzen

Herr Erzbischof, bitte führen Sie den folgenden Satz zu Ende: Im Rahmen der vierten Synodalversammlung hat mich bewegt ...

Sehr bewegt hat mich der Antrag, die für den Freitag vorgesehene Heilige Messe nicht zu feiern, weil dazu die Verbundenheit untereinander fehle. Wenn eine synodale Versammlung nicht mehr miteinander Eucharistie feiern kann, hat sie ihren Sinn verloren. Ich bin dankbar, dass dieser Vorschlag nicht umgesetzt wurde. Außerdem haben mich die Vorwürfe und Unterstellungen bewegt, die manche während der Versammlung und auch in den Stellungnahmen danach erhoben haben. Mich hat bewegt, dass manche die Versammlung offensichtlich als Bühne für ihre Anliegen und ihre Person genutzt haben, um sich im öffentlichen Gespräch zu halten.

Wie haben Sie die Debatte über die Grund- und Handlungstexte des Forums IV „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ empfunden?

Mit der Debatte gerade zum Grundsatzpapier „Leben in gelingenden Beziehungen“ war ich zufrieden. Theologisch und anthropologisch differenziert und mit Blick auf die Menschen wurden die Diskussionen der früheren Versammlungen und der Hearings weitergeführt. Ich habe danach nicht für möglich gehalten, dass so viele meiner bischöflichen Mitbrüder, aber auch Laien so gravierende Bedenken gegen den Text hatten, dass sie ihm die Zustimmung verweigerten. Ich war überrascht, dass nach der Ablehnung dieses Textes Gruppen vorbereitete Plakate herausholten, die deutlich zeigten, dass sie die Möglichkeit einer Ablehnung vor der Sitzung bereits im Blick hatten und ihre „spontane“ Reaktion zumindest eingeplant war.

Auf welche Weise bewerten Sie den verabschiedeten Grundtext des Forums III „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“?

Die Zustimmung zum Grundtext „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ war für die einen darin begründet, dass der Text theologisch sehr profiliert und differenziert ist. Andere stimmten ihm trotz inhaltlicher Einwände zu, um die Versammlung nicht zum Platzen zu bringen. Nicht wenige konnten dem Text ihre Zustimmung darum geben, weil er einen Vorspann erhielt, aus dem deutlich wurde, dass er für uns und die Gesamtkirche lediglich eine Diskussionsgrundlage ist und keine dogmatische Darlegung.

Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen der vierten Synodalversammlung?

Ich bin dankbar für die organisatorische und inhaltliche Vorbereitung dieser Versammlungen in vielen Sitzungen und Hearings.
Unzufrieden macht mich die Erfahrung, dass viele anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie manchen Gruppierungen stark misstrauen. Einige haben dieses Misstrauen auch in ihren öffentlichen Stellungnahmen im Nachgang der Versammlung zum Ausdruck gebracht. Die Krise des Synodalen Weges ist eine Vertrauenskrise und nicht in erster Linie eine Krise seiner Inhalte.

Welche Wünsche und welche Bedenken haben Sie, wenn Sie auf das Frühjahr 2023 und die letzte Synodalversammlung schauen?

Ich würde es begrüßen, wenn die vierte Synodalversammlung einmal unter rhetorischen und psychologischen Gesichtspunkten analysiert werden würde, damit wir als Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Kultur dieser Versammlung und unseren Umgang miteinander ganz konkret überdenken können. Zu den Ergebnissen des Synodalen Weges gehören bei weitem nicht nur die Texte, sondern vor allem die Art, wie wir miteinander umgehen.

Welche Konsequenzen ergeben sich Ihrer Meinung nach für das Erzbistum Berlin aus den Debatten des Synodalen Weges?

Ich halte einen Synodalen Weg auch für unser Bistum für notwendig und segensvoll. Der Heilige Vater hat Recht, wenn er feststellt, dass das synodale Zusammengehen ein wesentlicher Grundzug unserer Kirche ist, ohne den sie sich selbst in Frage stellen würde.

Wir werden daher unter anderem überlegen müssen, wie wir einen Synodalrat ins Leben rufen können, der zweifelsohne die bestehenden Räte und Gremien sowohl umfassen als auch begrenzen wird, der also auch eine deutliche Veränderung für die bestehenden Räte und Gremien mit sich bringen wird. Wir brauchen einen Synodalrat, dem nur so viele Personen angehören, wie wir für ein gutes Miteinander, für einen Weg des Lernens brauchen, der sich geistlich, pastoral und effektiv für dieses Bistum entwickeln kann. Wir brauchen einen Synodalrat, in dem es genügend Zeit füreinander und für die Inhalte gibt, in dem Vertrauen wachsen kann und in dem sich die Mitglieder nicht als Vertreterinnen und Vertreter einer Lobby verstehen, die nur altbekannte Standpunkte als Garanten einer glorreichen Zukunft deklarieren.

Sehen Sie konkrete Anknüpfungspunkte in den verabschiedeten Grund- und Handlungstexten für unser Erzbistum Berlin? Welche sind das?

Die Beschlüsse zur Bischofswahl habe ich dem Domkapitel vorgelegt, das sich bereits mit anderen Kapiteln beraten hat. Entsprechende Orientierungsfragen sind nach Rom geschickt worden. Die Überlegungen zu den Fragen der Geschlechtergerechtigkeit werde ich in den Pastoralrat aufnehmen lassen und dort auch die schon gegangenen Schritte und ihre Weiterführung bedenken.

Für den Synodalen Rat in unserem Bistum gibt es eine Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern aus vielen Räten und Gremien, deren Überlegungen jetzt schon in Räten und Gremien des Bistums erörtert werden. Wir werden sicherlich nach Abschluss des Synodalen Weges die gemachten Erfahrungen und Inhalte auf Bistumsebene miteinander austauschen und auf einen ergebnisorientierten Weg bringen.

Wir brauchen dazu einen Synodalen Rat, dem auch Menschen angehören, die nicht aus unseren Räten und Gremien kommen, auch manche eher kirchenferne Person. Wir brauchen in ihm sowohl konservativ als auch fortschrittlich geprägte, kreative und kontemplative Menschen aus allen Alters- und Bildungsschichten und aus vielen Lebensbereichen, die nicht nur ihre bekannten Standpunkte vertreten. Und wir brauchen in ihm kluge katholische Christen, die einen langen Atem haben, Zuversicht ausstrahlen und helfen, dass wir wieder mehr missionarische Kirche zum Segen für die Menschen und die Gesellschaft um uns herum werden.