Abschied mit Gottvertrauen

Bis zum Umzug gibt es noch viel zu tun: Der Berliner Konvent (von links: Schwester Maria Claudia, Schwester Ana Teresa, Schwester Simone, Schwester Lioba) im Gespräch mit Provinzoberin Schwester Maria Edith (ganz rechts). Foto: Michael Burkner

Nach mehr als 130 Jahren verlassen die Karmelitinnen vom göttlichen Herzen Jesu ihr Stiftungshaus in Berlin. Ein Besuch bei Schwestern, die sich auf den Umzug vorbereiten.

„Wenn beim Gebet die Fenster der Kapelle offen stehen, hört man ihren Gesang im ganzen Innenhof“, erzählt Schwester Maria Edith. Die Provinzoberin der Karmelitinnen vom göttlichen Herzen Jesu lebt in Baden- Württemberg, war zuletzt aber regelmäßig bei ihren vier stimmgewaltigen Mitschwestern in Berlin- Pankow zu Besuch. Der Grund: Ende Oktober verlassen die Schwestern Berlin. 1891 gründete die inzwischen selig gesprochene Maria Tauscher hier in der Pappelallee das St. Josefsheim, zwei Jahre später zogen die ersten Schwestern der von ihr gegründeten Gemeinschaft ein. Bis 1943 kümmerten sie sich um Waisenkinder, später betrieben sie ein Bildungshaus der Diözese und ein Seniorenheim. Seit 2019 stehen die Räume leer, doch bis zuletzt suchten die Schwestern Gott im alltäglichen Kontakt mit den Menschen der Stadt. „Wir sind schon traurig“, sagt Schwester Maria Claudia, gibt aber ehrlich zu: „Wir sehen auch einfach, dass es nicht mehr geht“. Viele Menschen würden sich enttäuscht über den Rückzug der Schwestern äußern und ihre Präsenz vermissen, „manchmal sprechen uns sogar Leute darauf an, die wir garnicht kennen. Aber unser Leben und Gebet hier wird noch immer wahrgenommen“, erzählt sie.

Über zwei Jahrzehnte leitete die heute 84-Jährige die Gemeinschaft, das Berliner Urgestein ist aber Schwester Lioba. Seit fast 50 Jahren ist sie in der Hauptstadt, lebte zunächst in Neukölln in West-Berlin und erinnert sich lebendig an die Herausforderungen in der geteilten Stadt: „Wir hatten engen Kontakt mit den Schwestern hier in Ost- Berlin und haben sie regelmäßig besucht. Andersherum ging es ja nicht. Manchmal wurde einer Schwester aber auch die Einreise verweigert.“ Bei Erzählungen wie diesen kommt Schwester Ana Teresa ins Staunen. Sie ist die jüngste der Gemeinschaft und vor fünf Jahren aus Brasilien nach Berlin gekommen. „Dort leben viele junge Ordensschwestern, aber viele verlassen die Gemeinschaft auch wieder“, erzählt sie. Die älteren Mitschwestern seien Vorbilder für sie: „Sie haben so viel mitgemacht und sind doch immer noch hier. Dafür habe ich ein tolles deutsches Wort gelernt: unerschütterliches Gottvertrauen.“

Dieses Vertrauen brauchen die Schwestern jetzt mehr denn je, denn die Zukunft ihres Ordens ist fraglich. „Die Gesellschaft verändert sich, die Kirche ist aus dem Leben der Menschen verschwunden und Ordensgemeinschaften wird so die Basis entzogen“, konstatiert Schwester Maria Edith. Zu Fragen nach der Zukunft kommen die der Gegenwart hinzu: Wie es mit den Gebäuden in Berlin weitergeht, weiß aktuell keiner, sicher ist nur, dass die Kirche profaniert wird. Auch die Situation ihrer Mitschwestern außerhalb Europas macht Sorgen. „Wir haben Gemeinschaften in Nicaragua, Venezuela und Nigeria. Den Christen dort wird nach und nach die Lebensgrundlage entzogen“, erzählt Schwester Maria Edith. Manchmal bleibt ihnen dann nur noch das Gebet, das sie aber auch als Aufgabe sehen: „Wenn die Kräfte schwinden, können sich alte Schwestern so besonders in die Gemeinschaft einbringen.“

Doch auch Hoffnung scheint durch die Worte der Schwestern, fegt die Sorgenfalten aus den Gesichtern. „Ich freue mich auch auf Kloster Hoheneck, das war für mich immer ein Ort der Kraft und Ruhe“, blick Schwester Simone auf ihre neue Heimat in der Nähe von Stuttgart. Die dortigen Schwestern erwarten die Verstärkung schon. „Die vier hier werden viel Leben in unsere Gemeinschaft bringen“, lacht Schwester Maria Edith. Nicht zu vergessen ihre Stimmgewalt, die die Schwestern bei ihrem Umzug sicherlich mitnehmen werden.